#1

SGZ - 19 - Die Liebe ihres Lebens

in Die Geschichten der Woche 12.05.2021 19:53
von Gini • Federlibelle | 1.797 Beiträge | 3677 Punkte

Angelas Freundin guckte sie völlig entsetzt an.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein. Du wirst fünfzig.“
Der Gesichtsausdruck von Marion drückte völlige Verständnislosigkeit aus. Als hätte Angela ihrer Freundin offenbart, dass sie nackt im Playboy posieren wollte.Dabei hatte sie ihr nur gesagt, dass sie über ein Baby nachdachte.Dabei hatte Angela einen verzückten Ausdruck im Gesicht. Aber Marion hatte sie unsanft in die Realität zurückgeholt.
„Nun mach mal halblang. Du weißt genau, dass ich jetzt erst, seit ich meinen Jörg kenne, den Wunsch nach einer Familie habe.“
Angela hatte sich nie nach Kindern gesehnt. Die waren ihr zu anstrengend und ihre Karriere war ihr wichtiger als alles andere. Außerdem, hatte sie bis dato noch nie die Liebe ihres Leben gefunden. Das war jetzt aber anders.
Seit Jörg in ihr Leben getreten war, konnte sie sich mit ihm alles vorstellen. Jetzt war genug Geld war, um einem Kind alles bieten zu können. Jetzt war auch der Mann da, von dem Angela genau wusste, dass er ein guter Vater für ihr Kind sein würde.
„Weiß dein Jörg eigentlich schon von deinem Wunsch?“
Angela musste diese Frage ihrer Freundin verneinen. Sie waren doch auch erst seit einem Jahr ein Paar. Da hingen am Anfang nur rosarote Wolken der Liebe am Himmel. Ganz andere Dinge beschäftigten die Liebenden. Aber jetzt, das war wohl auch der letzte Zeitpunkt für Angela, sich ihren Wunsch zu erfüllen.
Bei dem Gedanken ein kleines weiches Bündel im Arm zu halten, ließ Angelas Herz gleich höher schlagen. Sie musste nur noch mit ihrem Jörg sprechen.
„Ich werde heute mit ihm reden“, ließ Angela ihre Freundin noch wissen und machte sich dann auf den Weg nach Hause.
„Jörg, ich möchte etwas mit die besprechen.“
Angela hatte für beide ein Gläschen Rotwein eingeschenkt und nahm dann Jörgs Hände in ihre. Vorher musste sie ihre eigenen, etwas schwitzigen, noch kurz an ihrer Hose trockenwischen. Sie war schon ziemlich aufgeregt. Dann bildeten sich immer kleine Schweißtropfen in ihrer Handfläche. Wie würde er reagieren? Jörg sah sie gespannt und aufmerksam an.
Angela holte ei paarmal tief Luft und fing dann an Jörg von ihrem großen Wunsch zu erzählen. Ihr Lebensgefährte unterbrach Angela kein einziges Mal. Während sie erzählte. Angela konnte sie aber ein Lächeln auf seinem Gesicht registrieren.
„... und deswegen wäre ich jetzt bereit, doch noch ein Baby zu bekommen.“
Angela guckte Jörg gespannt an. Obwohl ihr Herz wie nach einem Marathon hämmerte, war sie innerlich ganz ruhig.
Jörg nahm sie in den Arm und drückte Angela ganz fest an sich.
„Weißt du, wie lange ich schon darauf warte, dass du diesen Wunsch äußerst? Ich wagte nicht, darauf zu hoffen.“
Jörg und Angela, redeten daraufhin beide durcheinander. Sie stellten sich eine Zukunft mit dem kleinen Wesen vor. In Gedanken richteten sie schon das Kinderzimmer ein. Nach der ersten Euphorie kam dann doch noch die kleine Ernüchterung.
Schließlich war es nicht einfach, mit fast fünfzig noch Mutter zu werden.
„Weißt du was? Mein Freund ist doch Gynokologe. Ich hol uns einen Termin und er wird uns beraten.“
Jörg war ganz zuversichtlich und Angela ließ sich gefühlsmäßig von ihm mitziehen.
Würde schon alles gutgehen dachte sie, bevor Angela selig in Jörgs Armen einschlief.

Am übernächsten Tag gingen sie gemeinsam zu dem Termin bei Jörgs Freund.
„Eine Eizellenspende ist in Deutschland verboten. Aber ihr könnt es im Ausland machen lassen. Dort ist es erlaubt.“
Angela fühlte sich bei den ersten Worten so enttäuscht, dass sie fast schon den Mut verlor.
„Ich geb euch eine Adresse einer Kinderwunschklinik in Spanien. Dort nehmt ihr Kontakt auf und die sagen euch alles Weitere.“
Jörgs Freund suchte in seiner Schublade nach dem entsprechenden Prospekt.
„Es kann natürlich sein, dass es nicht beim ersten Mal klappt. Aber gebt den Mut nicht auf.“

Mit diesen Worten entließ er Angela und Jörg. War doch noch nicht alles hoffnungslos? Das verliebte Paar wollte unbedingt daran glauben.
Die Tage bevor sie nach Spanien aufbrachen, verbrachten Angela und Jörg nur noch im Internet. Sie lasen von Frauen, die im gleichen Alter waren und auch noch das große Glück hatten, ein Kind zu bekommen. Es waren nur positive Geschichten zu lesen. Die Frauen konnten ihr Glück kaum glauben, als sie dann wirklich ihr Baby im Arm halten konnten.
Das bestätigte Jörg und Angela um so mehr in der Entscheidung, eine Familie zu gründen.
Zwei Tage später ging der Zug nach Spanien. Angela konnte durch ihre Flugangst leider kein Flugzeug besteigen. Deswegen nahmen sie die lange Fahrt mit dem Zug auf sich. Jörg hatte ein schönes Zugabteil im Schlafwagen gebucht. Es war so komfortabel ausgestattet, dass es beiden an nichts fehlte. Im Gegenteil, durch das regelmässige Rattern der Räder auf den Schienen schliefen sie sogar sehr schnell ein.
Zwei Tage später war der Termin in der Kinderwunschklinik.
Der zuständige Arzt wirkte sehr mitfühlend und Angela fand ihn sehr sympathisch. Sie fühlte sich gleich sehr wohl.
„Sie müssen wissen, dass Ihre Organe natürlich mit Ihnen altern. Aber die Natur hat einen Plan B. Von dem Moment an, wenn Sie ein Baby erwarten, übernimmt die Natur alles so wie es sein soll.“
Das machte ihnen Hoffnung. Jörg drückte ihre Hand und lächelte Angela aufmunternd an.
„Das beste wäre, wir würden Ihnen eine Eizellenspende einer jungen Frau einpflanzen. Das würde dann nicht so viele Probleme machen“, führte der Arzt hinzu. „Natürlich werden es vorher noch einige Untersuchungen geben.“
Angela vertraute dem Arzt voll und ganz und war zu allem bereit.
Es war alles kein Spaziergang, aber nach einigen Tage konnten sie die Rückfahrt antreten.Jetzt hieß es nur noch abwarten, ob sich die Eizelle eingenistet hatte.
Auf der Fahrt nach Hause, kam es Angela so vor, als hätten sie das gleiche Zugabteil, wie bei der Hinfahrt. Es war genauso gemütlich eingerichtet.


Inder nächsten Zeit musste Angela sich oft verteidigen. Sie wurde von Kollegen mehrmals angefeindet.
„Du bist sechzig, wenn dein Kind in die Schule kommt“, meinte ihre Lieblingskollegin eines Morgens zu ihr.
„Ich bin neunundvierzig und noch keine fünfundachtzig. Es gibt mehr Eltern, die in späten Jahren Kinder bekommen.“
Angela hatte eigentlich gar keine Lust mehr, sich nur noch zu erklären. Aber
„Dein Kind wird dich vielleicht nur noch dreißig Jahre haben. Und was ist dann?“
Ihre Kollegin wollte nicht aufgeben.

„Ja, aber mein Kind wird dann dreißig Jahre viel Liebe erfahren haben. Es gibt Eltern, die ihrem Kind kaum Zuneigung schenken. Außerdem werde ich hundert
Jahre alt.“

Hier war die Stunde um.


Angela stieß einen resignierten Seufzer aus und wendete sich wieder ihrer Arbeit zu. Für sie war das Gespräch jetzt beendet.

Jörg merkte am Abend, dass sie etwas bedrückte, und nahm Angela in den Arm.
„Was ist denn los, mein Schatz?“
Sie erzählte ihm von den Anfeindungen ihrer Kolleginnen. Währenddessen
liefen ihr die Tränen herunter und hinterließen schwarze Spuren von ihrer Wimperntusche. Sie hatte das alles so satt. Warum musste jeder seinen Senf an Einwänden dazugeben? Warum ließ man sie nicht einfach ihr Leben und ihre Liebe genießen?

Am Ende des Abends beschloss Angela, dass sie mit keinem mehr, ausser mit Jörg, noch über dieses Thema reden würde. Es war ihre Entscheidung und die ihrer großen Liebe,dass sie auch mit fünfzig noch ein Kind haben wollten.
Und keiner, wirklich keiner, hatte da ein Wörtchen mitzureden.


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#2

RE: SGZ - 19 - Die Liebe ihres Lebens

in Die Geschichten der Woche 13.05.2021 17:10
von Bree • Federlibelle | 4.337 Beiträge | 17414 Punkte

Liebe @Gini

ein heikles und polarisierendes Thema, das du da anschneidest. Ich selbst denke auch, dass man (oder vielmehr frau) irgendwann einfach zu alt ist. Bei meiner zweiten Tochter war ich 39, und älter hätte ich auch nicht sein wollen. Schon die Schwangerschaft war mühsamer als die erste (da war ich 28 - Riesenunterschied!).
Aber mit fast fünfzig ....?
Außerdem ist es ja mit Schwangerschaft und Geburt nicht getan. Schlafmangel, Angriff aufs Nervenkostüm durch Babygeschrei, Windeln, voll bis zum Anschlag, Babykotze auf der teuren Designerbluse, stundenlanges Suchen nach DEM Schnuller oder DEM Kuscheltier, weil ohne schläft Baby nicht ein ... später im Kindergarten singt man wieder 'Himpelchen und Pimpelchen' und wünscht, stattdessen mit einer Freundin irgendwo einen Prosecco zu trinken und shoppen zu gehen.
Anschließend X Jahre Schulzeit mit Hausaufgaben kontrollieren, Kinderkrankheiten (u. womöglich Läusen), Lärm und Gezicke, wenn die Freunde von Kindi da sind, Anrufe von Lehrern usw. usw. Von der Pubertät mal ganz abgesehen.
Und das Kind?
"Ist das deine Oma?"
"Nee, meine Mutter."
"Echt jetzt? Die sieht so alt aus."
So toll finden die das vermutlich nicht, wenn die Eltern der Freunde viel jünger und hipper sind.

Ich denke, die Natur hat sich was dabei gedacht, als sie es einrichtete, dass mit ca. 40 Jahren bei Frauen Schluss ist. Sollen wir ihr wirklich dazwischenpfuschen, nur, weil wir es können?
Fair wäre allerdings, wenn die Männer ab demselben Alter auch nur noch heiße Luft produzieren würden. Was Mutter Natur sich dabei gedacht hat, dass Kerle noch mit 80 Papa werden können, ist mir nicht ganz klar. Aber jeder macht mal Fehler ...

Wie auch immer, wenn Angela all das oben genannte so sehr will, dann sag ich mal, ich .
Was ich mich beim Lesen gefragt habe, ist, ob sie es auf "normalem" Wege gar nicht erst probieren, denn davon schreibst du gar nichts. Es wird sofort über medizinische Starthilfe nachgedacht. Klar wäre es nicht leicht, aber vielleicht ja doch möglich.
Oder ist sie bereits in den Wechseljahren?

Also, wie gesagt, ein spannendes Thema. Das Zugabteil spielt zwar nur eine kleine Nebenrolle, aber das ist okay.

Ach ja, falls du den Text nochmal brauchst, hier ein kleiner Hinweis:

Zitat von Gini im Beitrag #1
Der zuständige Arzt wirkte sehr mitfühlend und Angela fand ihn sehr sympathisch. Sie fühlte sich gleich sehr wohl.



Gern gelesen! Vor allem fand ich es gut, dass du die Reaktionen der Umwelt so realistisch eingebaut hast.

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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#3

RE: SGZ - 19 - Die Liebe ihres Lebens

in Die Geschichten der Woche 13.05.2021 18:49
von Gini • Federlibelle | 1.797 Beiträge | 3677 Punkte

@Bree du hast mit allem Recht, klar. Aber wenn man sich so sehr ein Kind wünscht, nimmt man das alles
in Kauf. Vor allem, wenn man noch keins hat.
Angela konnte wohl nicht auf natürlichem Weg ein Kind bekommen. Geh ich mal davon aus in meiner Geschichte.
Aber jetzt ehrlich gesagt, ich hab 4 Enkel (6,6,3 und 1 Jahr).
Ich bin immer froh, wenn sie dann mit ihren Eltern wieder abziehen und wir das Chaos beseitigt haben.
Vor allem musst du vorher ja schon alles möglich nach oben auf die Schränke räumen.
Wir habe auch ein relativ kleines Reihenhaus. Da staut sich dann alle. Vorhin, als mein Sohn mit Familie
abgerauscht ist, hab ich zu meinem Mann gesagt, ich beantrage ein Haus mit 80 Quadratmetern mehr.


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#4

RE: SGZ - 19 - Die Liebe ihres Lebens

in Die Geschichten der Woche 16.05.2021 12:26
von Doro • Federlibelle | 2.350 Beiträge | 9189 Punkte

Liebe @Gini ,

ein schwieriges Thema, weil die Meinungen so unterschiedlich sind. (Fast so wie beim Thema Impfung gegen Corona). Natürlich hat niemand das Recht Angelas Entscheidung in Frage zu stellen, aber die Argumente der Arbeitskollegen sind durchaus berechtigt. Diese Gegenüberstellung hast du gut beschrieben.

Wie war das? Das einzige, was noch schwieriger ist, ein geordnetes Leben zu führen, ist, es anderen nicht aufzuzwingen.

Man vergisst leider oft, dass es viele verschiedene Arten gibt, zu leben.

Eins hab ich nicht verstanden: Warum fahren sie gleich in eine Kinderwunschklinik? Sie könnten es doch erst mal so probieren.

Gern gelesen.

LG
Doro


Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden. (Mark Twain)
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#5

RE: SGZ - 19 - Die Liebe ihres Lebens

in Die Geschichten der Woche 16.05.2021 13:06
von Gini • Federlibelle | 1.797 Beiträge | 3677 Punkte

@Doro
Danke für dein Feedback.

Zitat von Doro im Beitrag #4
Eins hab ich nicht verstanden: Warum fahren sie gleich in eine Kinderwunschklinik? Sie könnten es doch erst mal so probieren.


Das hat Bree auch schon angemerkt. Dann versuch mal mit fast 50 schwanger zu werden. Das ist ziemlich unmöglich und würde
mit Sicherheit ewig dauern. Aber so viel Zeit hat man dann nicht mehr, würde ich sagen.
Die meisten Frauen, die in dem Alter waren, sind durch künstliche Befruchtung schwanger geworden.


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