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SGZ Nr. 45 - Schmutzige Wäsche - Franz Nr. 7
in Die Geschichten der Woche 09.11.2023 12:14von Bree • Federlibelle | 4.567 Beiträge | 18660 Punkte
SCHMUTZIGE WÄSCHE
Mit einer Tasche in der rechten Hand stand Franz an der Bushaltestelle. Das Zusammentreffen mit Maries Ehemann lag ihm noch immer ziemlich im Magen.
Nachdem der verkündet hatte, dass er Marie nicht zurückhaben wolle, war er die Treppe ins Obergeschoss hinaufgestürmt. Franz stand währenddessen wie bestellt und nicht abgeholt im Hausflur und lauschte den Geräuschen, die Josef Holzmann machte. Aufgebrachte Schritte waren zu hören, es wurden Schranktüren zugeschlagen und Schubladen mit Schwung geschlossen.
Schließlich war Holzmann die Treppe wieder hinabgetrampelt und hatte Franz die Reisetasche in die Hand gedrückt. „Hier. Bringen Sie ihr den Krempel. Ich denke gar nicht daran, in die Klinik zu fahren. Richten Sie ihr aus, dass ich sie hier nicht mehr sehen will.“
Dann hatte er die Haustür weit geöffnet und Franz auffordernd angesehen.
„Hören Sie, das ist alles ein Missverständnis“, hatte Franz es noch einmal versucht. „Marie und ich sind –“
„Raus!“ Holzmann presste das Wort regelrecht hervor und sein wütender Blick sorgte dafür, dass Franz keinen weiteren Versuch unternahm, ihm alles zu erklären. Vielleicht wusste Marie, wie sie ihn wieder beruhigen konnte.
Tja, und da stand er nun. Obendrein fing es an zu regnen.
Als der Bus endlich kam, fühlte sich Franz wie der sprichwörtliche begossene Pudel. Mit hängenden Schultern stieg er ein, suchte sich einen Einzelsitzplatz und bettete die Reisetasche auf seinem Schoß. Nun war offenbar auch Marie obdachlos. Und das nur seinetwegen. Hätte er sich nicht im Haus ihrer Freundin breitgemacht, wäre das alles nicht passiert. Es war lange her, dass er sich so schuldig gefühlt hatte. Das letzte Mal war an jenem Tag gewesen, als sein Haus mit dem Restaurant abgebrannt war und ihm aufging, dass die Versicherung nicht dafür aufkommen würde – weil er so leichtsinnig gewesen war.
Damals wie heute fühlte er sich grunderbärmlich.
Als er in der Nähe der Klinik aus dem Bus stieg, hatte es aufgehört zu regnen. Die Wolken waren weitergezogen, der Himmel zeigte sich mehr blau als grau. Immerhin etwas.
Auf dem Weg zu Maries Krankenzimmer kam er sich vor, als würde er zum Schafott geführt werden. Das schlechte Gewissen drückte seine Schultern in Richtung des blitzsauberen Linoleumbodens.
Dann stand er vor ihrer Tür. Er seufzte einmal tief, ehe er klopfte und die Klinke nach unten drückte.
Marie lag im ersten Bett und hatte die Augen geschlossen. Nach wie vor war sie an Kabel und Schläuche angeschlossen und wirkte ziemlich blass. Es war ein trauriger Anblick. Das zweite Bett, das am Fenster stand, war unordentlich und leer.
Kurz überlegte Franz, ob er die Tasche ans Fußende ihres Bettes stellen und einfach wieder verschwinden sollte. Die Gelegenheit war günstig, niemand würde ihn beobachten.
Er war immer gut darin gewesen, sich brenzligen Situationen zu entziehen. Doch das wäre Marie gegenüber unfair, und so entschloss er sich, zu bleiben. Er ließ die Tasche auf den Boden sinken und setzte sich auf den Besucherstuhl neben dem Krankenbett.
Es waren keine drei Minuten voller Stille vergangen, als sich die Tür erneut öffnete und eine Frau in einem hellgrauen Bademantel einen Ständer mit einer verkehrtherum hängenden Flasche ins Zimmer schob. Ihre Blicke trafen sich. Franz legte seinen rechten Zeigefinger auf die gespitzten Lippen. Die Frau nickte und bemühte sich, in ihren grünen Puschen möglichst leise durch das Zimmer zu schlurfen.
Sie war groß und dünn, ihr graues, gelocktes Haar lag platt am Hinterkopf, vermutlich vom vielen Liegen. Behutsam setzte sie sich auf die Matratze, doch das Quietschen, das dadurch entstand, war laut genug, um Maries Schlaf zu stören. Sie gab einen leisen Ton von sich, der wie ein Seufzen klang, und öffnete die Augen. Als sie Franz erkannte, lächelte sie. „Hallo, du“, flüsterte sie.
Er zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. „Gut geschlafen?“
Sie nickte, schwieg eine Weile, dann legte sich ein Schatten in ihren Blick. „Warst du bei Josef?“
Franz nickte bedrückt.
„Wird er mir meine Sachen bringen?“
„Die habe ich dir mitgebracht.“ Wie zum Beweis hob er die Reisetasche hoch.
„Oh“, sagte sie.
„Er will nicht herkommen“, berichtete Franz mit gesenkter Stimme. Die andere Patientin hatte sich inzwischen gemütlich hingelegt und schien in einem Roman zu lesen, doch es konnte auch sein, dass sie in Wirklichkeit die Ohren spitzte.
Maries Augen wurden größer. „Er will nicht kommen? Aber warum denn nicht?“
„Na ja“, begann Franz. Er fühlte sich äußerst unbehaglich. „Er muss irgendwas falsch aufgefasst haben, als ich ihm erzählte, was passiert ist. Und nun denkt er, dass wir zwei … Du weißt schon.“
Er zog eine Grimasse, die die unausgesprochene Behauptung ins Lächerliche ziehen sollte.
Die Farbe in Maries Gesicht wechselte von blass zu bleich. „Das denkt er?“, wisperte sie.
„Leider ja. Er …“ Franz musste tief Luft holen, ehe er weitersprach. „Er will nicht, dass du in sein Haus zurückkehrst. Tut mir leid, Marie, offenbar habe ich dir einen Bärendienst erwiesen. Und ich weiß nicht einmal, wie ich das gemacht habe.“
Sie streckte ihren Arm aus, die Handfläche nach oben. Franz deutete die Geste richtig und legte seine Hand in ihre. Sie drückte sie sanft. „Mach dir keine Vorwürfe, Franz“, sagte sie. „Josef hat sein Lebtag alles so ausgelegt, wie es ihm am besten in den Kram passte. Du hast nichts falsch gemacht.“
„Aber wo willst du denn hin, wenn du entlassen wirst?“, fragte er und räusperte sich, weil er einen Kloß im Hals hatte.
„Keine Sorge, mir fällt schon etwas ein. Ich habe gute Freunde und einen Bekannten, der Anwalt ist. Er ist stolz darauf, dass man ihn intern den ‚Terrier‘ nennt. Er wird dafür sorgen, dass ich nicht mit leeren Händen dastehen werde.“
Franz schluckte. „Du bist wirklich erstaunlich optimistisch.“
Sie zuckte vorsichtig die Achseln und für einen Moment sah er wieder dieses Funkeln in ihren Augen, das er so mochte. „So war ich schon immer“, erwiderte sie. „Aber jetzt muss ich dich noch um einen weiteren Gefallen bitten.“
„Soll ich etwa deinen Anwaltsfreund aufsuchen?“, fragte er entsetzt.
„Nein, keine Sorge, den rufe ich später an. Aber es wäre lieb, wenn du meine Sachen in den Schrank da drüben räumen könntest.“ Ihr Kinn ruckte zu einem schmalen Spind an der Wand.
Franz war erleichtert. „Kein Problem“, sagte er, hob die Tasche auf und machte sich ans Werk. Es war allerdings ein seltsames Gefühl, Maries Unterhosen hervorzuholen und zu verstauen.
Sie schien sein Zögern bemerkt zu haben. „Es ist nur Kleidung, Franz, frisch gewaschen“, meinte sie mit einem Schmunzeln in der Stimme. Dann fügte sie dumpf hinzu. „Die schmutzige Wäsche wird es vermutlich vor Gericht geben.“
Er wandte sich um. „Wie meinst du das?“
Marie erwiderte seinen Blick. „Weil es einiges von Josef gibt, von dem er nicht weiß, dass ich es weiß.“
Franz bemerkte aus dem Augenwinkel, dass die Dame mit dem platten Haar gebannt lauschte.
Also trat er an Maries Bett und fragte flüsternd: „Willst du dein Wissen etwa gegen ihn verwenden?“
Sie zögerte mit der Antwort, doch dann nickte sie. „Wenn er es darauf anlegt, vermutlich schon.“
Fortsetzung folgt …
Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)
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RE: SGZ Nr. 45 - Schmutzige Wäsche - Franz Nr. 7
in Die Geschichten der Woche 10.11.2023 14:25von Sabrina Meinen • Federlibelle | 586 Beiträge | 1727 Punkte
@Bree: Das mit der Unterwäsche kommt mir bekannt vor ... Als ich nach Niedersachsen zog, lernte ich zügig meinen zukünftigen Mann kennen. Wusste ja nicht, dass wir mal heiraten werden.
Dann zog ich in meine erste eigene Wohnung. Spartanisch eingerichtet hatte ich kein Sofa, dafür ein Bett und Fernseher mit DVD Player. Mein Mann und ich haben uns bei mir getroffen, auf mein Bett gesetzt und DVD geschaut. Des frühen Aufstehens wegen schlief er ein. Und ich merkte plötzlich wie bei mir etwas nicht stimmte. Ich hatte Schmerzen in den Flanken wie ich sie bis dahin noch nicht kannte.
Um etwas zu machen, stand ich auf und trank etwas nur um es gleich wieder heraus zu würgen. Davon wurde mein Mann wach, stellte mir drei Fragen, erschrak, lud mich in sein Auto und brachte mich ins Krankenhaus. Er wusste genau was ich habe, weil er es selbst oft genug erlebt hat: Nierenkoliken. War tatsächlich so.
Weil wir überstürzt los sind, habe ich nichts dabei gehabt.
Und am nächsten Morgen als er mich besuchte - entweder war Wochenende oder ein Feiertag oder er hatte sonst irgendwie frei, ich weiß es nicht mehr - brachte er mir eine Tasche mit gepackten Sachen mit. Natürlich war auch meine Unterwäsche dabei. Er sah sie also in meinem Schrank bevor er sie an mir gesehen hat. War ein echt verrückter Moment. Aber von diesen haben wir einige gehabt.
In meiner Geschichte jedoch bin ich wie Franz, der sich ziert und mein Mann ist wie Marie, die das als selbstverständlich ansieht.
Finde den Mut für die Veränderung, die du dir wünscht,
die Kraft, es durchzuziehen
und den Glauben daran, dass sich alles zum Besten wenden wird.
RE: SGZ Nr. 45 - Schmutzige Wäsche - Franz Nr. 7
in Die Geschichten der Woche 11.11.2023 01:08von Carlotta Lila • Federlibelle | 2.290 Beiträge | 10212 Punkte
Jetzt wir es interessant, liebe @Bree, was könnte Marie von ihrem Josef wohl wissen, womit sie ihn erpressen kann?
Interessant auch, dass man von Franz erfahren hat, dass er ein Haus mit Restaurant hatte und obdachlos wurde, weil es abbrannte.
Spannend auf jeden Fall!
LG
C LILA
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Unsere größte Schwäche liegt im Aufgeben. Der sicherste Weg zum Erfolg ist immer, es noch einmal zu versuchen.
Thomas Alva Edison
RE: SGZ Nr. 45 - Schmutzige Wäsche - Franz Nr. 7
in Die Geschichten der Woche 11.11.2023 08:53von Bree • Federlibelle | 4.567 Beiträge | 18660 Punkte
Liebe @Sabrina Meinen und @Carlotta Lila
lieber @Yggdrasil
ich danke euch fürs Lesen und Kommentieren.
Zitat von Yggdrasil im Beitrag #3
ein köstlicher Text, der sich so langsam zum Buch mausert.
Das wäre nach Jockel und Siggi nebst Telse bereits das 3. Buch, das durch das SGZ entstand. Blöderweise habe ich keines je beendet.
Aber wer weiß, vielleicht, eines Tages ...?
Zitat von Carlotta Lila im Beitrag #4
was könnte Marie von ihrem Josef wohl wissen, womit sie ihn erpressen kann?
Das ist die Frage, liebe Charlotte! Noch weiß ich es auch nicht, aber dazu fällt mir hoffentlich nächste Woche etwas ein.
Zitat von Carlotta Lila im Beitrag #4
Interessant auch, dass man von Franz erfahren hat, dass er ein Haus mit Restaurant hatte und obdachlos wurde, weil es abbrannte.
Das Thema wurde bereits in einem der früheren Teile erwähnt, ich glaube im dritten. Aber da du die nicht kennst, ist es natürlich eine Neuigkeit für dich.
Zitat von Carlotta Lila im Beitrag #4
Spannend auf jeden Fall!
Danke, das freut mich!!
LG
Bree
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RE: SGZ Nr. 45 - Schmutzige Wäsche - Franz Nr. 7
in Die Geschichten der Woche 18.11.2023 18:09von Doro • Federlibelle | 2.482 Beiträge | 9742 Punkte
Jetzt wird es erst richtig interessant, liebe @Bree .
Bin schon neugierig drauf, was Marie von ihrem Mann weiß.
LG
Doro
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