Missmutig starrte er den Abendhimmel an, der sich in ein buntes Farbenspektakel verwandelt hatte.
„Schön, nicht wahr?“
„Was soll daran schön sein?“
Er spürte ihre Verwunderung.
„Die Farben sind einfach atemberaubend. Direkt über dem Horizont ein kräftiges Orange, das in ein zartes Lila übergeht, das sich wiederum fast übergangslos mit dem Blau vermischt. Dazu abertausende von Sternen. Ein Abendhimmel, der die Menschen an Wunder glauben lässt.“
„Quatsch!“ Er wurde sauer. „Niemand, hörst du, niemand wird sich an diesen Tag erinnern. Ich werde in Vergessenheit geraten und das ist so, als hätte es mich niemals gegeben.“
„Unsinn“, sagte sie sanft. „Die Menschen werden sich erinnern. Vielleicht nicht nächstes oder übernächstes Jahr, aber irgendwann wird genau dieser Tag heute etwas Besonderes sein.“
„Du willst mich nur trösten. Es ist nichts passiert. Kein neuerlicher Kriegsbeginn, beim spanischen Erbfolgekrieg ist kein Ende in Sicht und einen spektakulären politischen Abschluss gab es auch nicht. Und da es praktisch Nacht ist, wird sich daran auch nichts ändern. Ich bin ein Niemand.“ Bei seinen letzten Worten musste er schlucken, so sehr berührten sie ihn. „Wäre ich doch ein Philosoph, dann würden meine Gedanken niedergeschrieben und noch in hunderten von Jahren würden die Menschen davon erfahren.“
Sie lächelte, gleichzeitig liebevoll und nachsichtig. Letzteres konnte er nicht leiden, gab es ihm doch ein Gefühl der Unterlegenheit. Oder noch schlimmer, verspottete sie ihn etwa? „Was ist daran so lustig?“, fragte er und wusste, dass er wie ein bockiges Kleinkind klang.
„Nichts. Und du täuscht dich, wenn du annimmst, dass ich dich auslachen würde. Aber, du bist so sehr damit beschäftigt, dich in Mitleid zu suhlen, dass du das Naheliegende vergisst.“
Eigentlich wollte er sich nicht unterhalten. Er wollte seine schlechte Laune alleine genießen. „Und das wäre?“, hakte er trotzdem nach.
„Heute“, sie machte eine Pause und fast erwartete er einen Trommelwirbel, so andächtig sah sie ihn an, „ist der 30. Februar. Das ist einmalig in der Menschheitsgeschichte. Es gab bisher noch nie einen 30. Februar und es wird in der Zukunft keinen mehr geben. Also genieße die restlichen Stunden, die dir noch bleiben, bis du dem nächsten Tag Platz machen musst.“
„Keinen weiteren 30. Februar? Nie mehr?“
Sie nickte. „So ist es. Der 30. Februar 1712 ist eine Ausnahme in Schweden, also verschwende deine Zeit nicht mit missmutigen Gedanken, sondern freue dich ob deiner Einmaligkeit. Du bist wichtig, damit die Einheit der verschiedenen Kalender gewährleistet ist. Schweden würde sonst ewig einen Tag hinterherhinken und das gäbe einen schönen Kuddelmuddel.“
„Ich bin wichtig.“ Er lächelte versonnen. „Und einzigartig noch dazu. Das soll mir mal jemand nachmachen.“
„Dazu wird es nicht kommen.“
„Ich bin wichtig“, wiederholte er und konnte nicht aufhören zu grinsen.

Liebe @Bree ,

ich wusste das vorher auch nicht. Bin ich beim Brainstorming für das SGZ-Wort drauf gestoßen. Eigentlich hatte ich eine andere Geschichte im Kopf, aber dann habe ich einen Link mit dem 30.Februar gesehen.

LG
Doro

@Doro Das ist wirklich interessant und gut geschrieben. Aber im Grunde erinnert mich Dein Text an einen Satz: "Jeder ist wichtig und jeder ist etwas besonderes!" Das war der erste Gedanke der mir dazu gekommen ist.
Liebe Grüße Tatjana

Liebe @Carlotta Lila ,

Zitat von Carlotta Lila im Beitrag #5

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Aber leider konnte ich beim Googeln nichts über diesen Feiertag finden.....

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Liebe @Doro,
ich finde deine Geschichte wunderbar. Du erzählst sie aus der Perspektive des Tages, der glaubt, nicht besonders zu sein. Das gefällt mir sehr gut und dann natürlich die (lehrreiche) Wendung am Ende. Ich mag auch die spritzigen Dialoge. Super!
Mich würde noch interessieren, wer "sie" ist. Die Sonne?
LG, Anka

Zitat von Anka im Beitrag #7

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Mich würde noch interessieren, wer "sie" ist. Die Sonne?

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