#1

SGZ 32 - In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 11.08.2023 23:09
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 579 Beiträge | 1709 Punkte

Sie ist groß. Riesengroß erscheint sie ihr. Und sie hasst sie. Dieses metallene hässliche Teil.
Das wenige Licht im Raum erlaubt ihr höchstens die Umrisse der Tür zu betrachten. Feinheiten muss sie ertasten.
Anfangs hatte sie an ihr gehämmert, gehofft, dass sie sich öffnet. Aber das kalte Metall blieb verschlossen. Sie hatte geschrien, damit sich jemand ihr erbarmt. Doch das passierte Stunden oder gar tagelang nicht. Irgendwann hatte sie die Zeit verloren, konnte nur raten ob es Mittags oder Abends ist. Denn der Raum ist fensterlos und gegenstandslos. Eine einzelne Glühbirne hängt an der Decke. Diese ist dunkel bemalt um den Raum diffus zu halten. Nach ihrer biologischen Uhr und ihrem Magenknurren sind drei Tage vergangen bis sie unten am Türschlitz einen Lichtschimmer entdeckt. Zuerst denkt sie, dass ihre Augen ihr einen Streich spielen. Dennoch geht sie näher, hofft dass sich die Metalltür endlich öffnet. Leider erfüllt sich ihre Hoffnung nicht. Traurig reibt sie ihre schmerzenden Hände.
Ihr Hals brennt. Er brennt vor Durst und ihrer heißer geschrienen Stimme.
An die Tür zu hämmern hat sie aufgegeben. Denn es macht sie schwach. Raubt ihr die Kraft die sie dringend für ihr Überleben braucht.
Wie schon viele Mal in der vergangenen Zeit legt sie ihr Ohr an die Tür. Sanft schmiegt sich die Kühle an ihre Haut. Gibt ihr einen spürbaren Reiz. Etwas Lebendigkeit.
Sind da schabende Geräusche hinter der Tür? Oder hört sie ihr eigenes Blut rauschen?
Ein leichter Druck auf ihrer Blase bittet sie um Entleerung. Darum setzt sie sich in ihre Toilettenecke. Bissige Dämpfen von Urin und Stuhlgang reizen ihre Nase.
Obwohl sie sich hin hockt, kommt kein einziger Tropfen. Ihr Körper ist ausgedorrt, hat sie fälschlich glauben lassen, sie müsse pinkeln. Als wäre alles bester Ordnung. Wahrscheinlich gaukelt ihr Gehirn Dinge vor. Die oberste Schaltzentrale würde niemals zugeben, dass sie versagt. Sie kämpft bis ans Ende und füllt Erinnerungslücken mit Fantasie. Quietschen.
In Zeitlupe öffnet sich die Tür. Lässt gleißendes Licht herein. Und nicht nur das: Liebe und Erleichterung folgen im Anschluss.
Blinzelnd versucht sie sich an das Licht zu gewöhnen. Schützt ihre Augen mit ihren Händen.
Seufzend sinkt sie zu Boden. Mitten im hellen Licht steht eine dunkle Gestalt.
Am liebsten würde sie etwas sagen, aber ihr Kopf ist durcheinander und ihre Stimme versiegt.
Müde. Ja, sie fühlt sich unendlich müde. Und durstig. Kraftlos kippt sie mit ihrem Oberkörper nach vorn. Hart knallt ihr Kopf auf den Boden. Angestrengt sieht sie wie die Gestalt sich nähert und etwas vor sie abstellt.
Mit aller letzter Kraft greift sie danach. Knisternd gibt ihr eine Plastikflasche die Rückmeldung, dass ihre Hände sie umschließen. Während das grelle Licht hinter der Tür verschwindet.


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und den Glauben daran, dass sich alles zum Besten wenden wird.
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zuletzt bearbeitet 13.08.2023 10:55 | nach oben springen

#2

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 11.08.2023 23:47
von blauer Granit • Federlibelle | 697 Beiträge | 3623 Punkte

Liebe @Sabrina Meinen !
Ein atmosphärisch starker Tex. Ich würde aber gerne die Hintergründe erfahren.


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#3

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 12.08.2023 06:37
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 579 Beiträge | 1709 Punkte

@blauer Granit: danke für dein Kommentar. Mit den Hintergründen habe ich mich diesmal zurück gehalten und die Tür ins Zentrum gesetzt. Da bleibt viel Raum für den Leser sich das selbst zu überlegen.
Es ist auch der Begrenztheit meiner Zeit geschuldet. Und ich habe überlegt, ob ich es überhaupt wagen sollte. Aber als ich das Wort las, erschien ein Bild vor meinen Augen, dass auf dem Prinzip des Höhlengleichnis beruht. Darum habe ich das beschrieben. In meinem Kopf war auch die Idee, dass es sich um eine Entführung handelt. Doch ich wollte das nicht zu weit ausführen um nicht vom Stillbedarf meines Jüngsten unterbrochen zu sein.
Vielleicht nutze ich den Text irgendwann um ihn auszubauen. Mal sehen wie sich das mit meinen Jungs entwickelt. Der Älteste geht ab Mittwoch von 8-15 Uhr in die Sprachheilkita. Wenn ich für den Jüngsten einen guten Tagesrhythmus gestalten kann, bleibt mir mehr Raum für das Schreiben.


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#4

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 12.08.2023 14:51
von Gini • Federlibelle | 1.811 Beiträge | 3723 Punkte

@Sabrina Meinen
Für mich ganz klar, es ist eine Entführung. Da ist m.E. überhaupt nicht wichtig, dass man die Hintergründe weiß.
Das kann man ruhig der Fantasie des Lesers überlassen. Starker und aussagekräftiger Text.


Gedanken sind nicht stets parat,/ Man schreibt auch, wenn man keine hat.

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#5

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 12.08.2023 22:05
von Doro • Federlibelle | 2.449 Beiträge | 9597 Punkte

Liebe @Sabrina Meinen ,

auch mich würde interessieren, warum sie gefangen ist.

Zitat von Sabrina Meinen im Beitrag #3
ein Bild vor meinen Augen, dass auf dem Prinzip des Höhlengleichnis beruht.
War da nicht der Clou, dass die Menschen eigentlich hätten gehen können? In deiner Geschichte ist die Tür ja zu.


LG
Doro


Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden. (Mark Twain)
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#6

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 13.08.2023 08:32
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 579 Beiträge | 1709 Punkte

@Doro: die Menschen waren festgebunden und konnten ihre Köpfe kaum bewegen. Sie hätten sich befreien müssen und dann einen Gang nach oben in die Freiheit gehen können.
Und das habe ich etwas abgewandelt.


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#7

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 13.08.2023 10:54
von Bree • Federlibelle | 4.527 Beiträge | 18453 Punkte

Liebe @Sabrina Meinen

eine dramatische und beängstigende Situation hast du da beschrieben. Natürlich wäre es spannend, die Hintergründe zu erfahren, und wie es mit ihr weitergeht, aber die Aufgabe hast du exzellent gelöst.
Nach drei Tagen ohne Flüssigkeit müsste sie dem Tode nahe sein. Doch vielleicht irrt sie sich ja auch, was den Zeitraum angeht. Immerhin schreibst du ja, dass sie es nur nach dem Bauchgefühl berechnet.
Eine Kleinigkeit:

Zitat von Sabrina Meinen im Beitrag #1
Darum setzt sie sich in ihre Toilettenecke. ... In Zeitlupe öffnet sich die Tür. Lässt gleißendes Licht herein. ... Seufzend sinkt sie zu Boden.

Ich hoffe, sie ist ein bisschen von der Toilettenecke weggegangen, ehe sie sich hinsetzt, das wäre sonst ziemlich unschön ...

Gern gelesen!

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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Alles über meine Bücher & mich findet ihr auf meiner Website: www.brittabendixen.de
Einen eigenen Youtube-Kanal habe ich auch. Dort lese ich einige meine Geschichten.
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#8

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 14.08.2023 07:53
von Yggdrasil • Federlibelle | 1.247 Beiträge | 3190 Punkte

@Sabrina Meinen Ein starker Text, erinnert mich an E. A. Poe.


www.marten-petersen.com
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#9

RE: In einem Raum

in Die Geschichten der Woche 14.08.2023 08:32
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 579 Beiträge | 1709 Punkte

@Yggdrasil : Danke.
Ich habe noch nie etwas von ihm gelesen. Zumindest bewusst. Ich werde das nachholen.


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