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SGZ 19/23 Er hatte einen Traum
in Die Geschichten der Woche 09.05.2023 22:02von Sabrina Meinen • Federlibelle | 586 Beiträge | 1727 Punkte
Manchmal zerplatzt ein Traum. Als wäre er eine Seifenblase. Ein Seifenblasentraum. Diese Traumblase entstand in seinen Grundschuljahren. Frau Lück hatte es ihm angetan. Braune Locken, die wild um ihr kantiges Kinn hüpften. Schmale Lippen, die zum Stundenbeginn Disziplin einforderten. Hohe Wangenknochen, die jedem das Kirschenessen verbaten.
Er hatte nichts davon. Hätte er in den Spiegel gesehen, wäre es ihm rechtzeitig aufgefallen. Denn er hat lebloses schulterlanges Haar mit ausladendem Kinn und pockennarbigen Wangen. Egal, wie sehr er sich bemüht, an sein Lehrerinnen-Idol kommt er niemals heran.
Sein Äußeres macht ihn zum Kumpel neben an. Schüler machen ihre Späße. Mal liegt eine handvoll Nägel auf seinem Stuhl, mal ist die Tafel mit Seife eingerieben. Bei einer Frau Lück hat sich keiner getraut, ihr einen Scherz zu spielen.
Was würde er geben, wie sein Idol zu sein. Ihre weiblichen Rundungen. Wie sie ihren Po im Gehen schwang.
Abend für Abend hat er ihren Gang imitiert. Sich mit den Schuhen seiner Mama die Füße wund gelaufen.
Ja, sein Weg war nicht leicht. Erst musste er seine Eltern von seinem Traum überzeugen. Es dauerte bis sie kapierten, dass es kein Versprecher war. Dann kamen die Hormone. Seine Kinderärztin tat alles um ihm zu helfen, überzeugte seinen Psychologen. Viel zu spät, bemerkte er, dass sie ihn zu einem persönlichen Experiment machte. Schließlich hatte ein Fall wie er Seltenheit.
Seufzend setzt er sich auf seine Stuhl.
PffffiiiiIiiiiiiiiek. Lautes Lachen erfüllt seinen Klassenraum.
Augen rollend hebt er sein Stuhlkissen an. Die Micky Maus hat Furzkissen als extra Beilage. Getreu dem Prinzip „Alle Jahre wieder“.
Das Gelächter steigert sich. Beigemischt von Beschuldigungen wer der Verursacher des Scherzes sei.
Kopfschüttelnd stellt er den Overhead-Projektor an und fordert seine Klasse auf, die Folie abzuschreiben. Ignoranz verteilt auf 30 Kinderköpfe empfängt ihn.
„Bitte, seid doch leise.“
Zwei Jungen vor ihm packen ein Kartenspiel aus.
„Bitte, stellte eure Gespräche ein.“
Grinsend reicht ihm ein Mädchen ein Hustenbonbon.
„Damit Sie ihre Stimme wieder in den Griff bekommen.“ Hüstelnde Geräusche mehrerer Schüler und Schülerinnen bereiten ihm eine Gänsehaut.
Ein jährlich wiederkehrender Joke, von Jahrgang zu Jahrgang weitervererbt.
Nein, das entspricht nicht seinem Traum. Niemals hätte er seiner kindlichen Verliebtheit nachgeben dürfen, eine Lehrerin sein zu wollen. Allein, weil ihm dafür die Locken fehlen.
Finde den Mut für die Veränderung, die du dir wünscht,
die Kraft, es durchzuziehen
und den Glauben daran, dass sich alles zum Besten wenden wird.
RE: SGZ 19/23 Er hatte einen Traum
in Die Geschichten der Woche 10.05.2023 19:43von -jek • Federlibelle | 764 Beiträge | 2259 Punkte
@Sabrina Meinen Meinen Eine gut geschriebene, leider deprimierende Geschichte von einem Menschen, der nicht aus seiner Vergangenheit herausfindet. Wenn er die Geschlechtsumwandlung als Fehler betrachtet und sie nicht rückgängig machen kann, so könnte er doch vermeiden, sich zur Zielscheibe von kindlichem Spott zu machen. Er müsste nicht da stehen bleiben. Was fehlt ihm? Kraft? Mut? Fantasie?
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Wenn du Schreibregeln beherrscht, ist das gut. Wenn sie dich beherrschen, ist das schlecht.
RE: SGZ 19/23 Er hatte einen Traum
in Die Geschichten der Woche 10.05.2023 20:22von Carlotta Lila • Federlibelle | 2.300 Beiträge | 10272 Punkte
Liebe @Sabrina, ja eine Wahnsinnsgeschichte. Was für ein Schicksal! ich bin nicht sicher, ob die Geschlechtsumwandlungen die Leute glücklicher machen. Bisher hatte ich in den Kursen ein paar Kids, die mitten in einer solchen steckten oder sie wünschten. Ich wünsche Ihnen das Beste und hoffe, dass sich die Umwandlung auszahlt!
LG
Carlotta Lila
https://www.leseflamme.jimdofree.com
Unsere größte Schwäche liegt im Aufgeben. Der sicherste Weg zum Erfolg ist immer, es noch einmal zu versuchen.
Thomas Alva Edison
RE: SGZ 19/23 Er hatte einen Traum
in Die Geschichten der Woche 11.05.2023 09:54von Sabrina Meinen • Federlibelle | 586 Beiträge | 1727 Punkte
@-jek @Carlotta Lila: Das ist das fatale an der Sache. Diese Zerrissenheit in den Menschen und wenn eine Anpassung erfolgt ist, gibt es kein Zurück mehr. Ein schwieriges Thema.
Bisher habe ich nur davon gelesen oder einen Beitrag gesehen. Ich kenne niemanden mit Geschlechstumwandlung. Ich kenne eine Frau, die auf Frauen steht und sich männlich verhält. Sich umwandeln lassen möchte sie nicht.
Finde den Mut für die Veränderung, die du dir wünscht,
die Kraft, es durchzuziehen
und den Glauben daran, dass sich alles zum Besten wenden wird.
RE: SGZ 19/23 Er hatte einen Traum
in Die Geschichten der Woche 14.05.2023 12:49von Bree • Federlibelle | 4.647 Beiträge | 19106 Punkte
Liebe @Sabrina Meinen
ein komplexes und aktuelles Thema, gefühlvoll beschrieben. Deine Hauptperson wirkt unglücklich und sehr verunsichert, das wird besonders in der Beziehung zu ihren Schülern deutlich.
Ich wünsche ihr, dass sie irgendwann ein zufriedenes Leben führen kann.
Zwei Kleinigkeiten:
Zitat von Sabrina Meinen im Beitrag #1
Hohe Wangenknochen, die jedem das Kirschenessen verbaten.
Ich fürchte, Wangenknochen sind nicht in der Lage, etwas zu verbieten.
Zitat von Sabrina Meinen im Beitrag #1
Ja, sein Weg war nicht leicht. Erst musste er seine Eltern von seinem Traum überzeugen.
Diese beiden Sätze würde ich ins PQP setzen, um die Rückblende deutlich zu machen. Sonst entsteht der Eindruck, dass diese Situation im Hier und Jetzt stattfindet, und das ist ja nicht der Fall. Um entsprechende Verwirrung zu vermeiden, ist es besser, 'sein Weg war nicht leicht gewesen' etc. zu benutzen.
LG
Bree
Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)
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Alles über meine Bücher & mich findet ihr auf meiner Website: www.brittabendixen.de
RE: SGZ 19/23 Er hatte einen Traum
in Die Geschichten der Woche 14.05.2023 14:28von Sabrina Meinen • Federlibelle | 586 Beiträge | 1727 Punkte
@Bree, danke für deine Kritik.
Die Wangenknochen sind im übertragenen Sinne gemeint. Es ist in Bezug auf den Spruch "nicht gut Kirschen essen" gemeint. Hat wohl nicht funktioniert.
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und den Glauben daran, dass sich alles zum Besten wenden wird.
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