#1

SGZ 18/ Krimi schreiben

in Die Geschichten der Woche 03.05.2023 12:46
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 569 Beiträge | 1677 Punkte

Ehrlich? So soll deine Geschichte gehen?“ Skepsis springt von meiner linken Schulter in mein Gesicht.
Ja soll sie“
Komm schon. Lies es lieber noch mal durch.“
Mit einem Augenrollen lese ich meinen Text:

Es ist mitten in der Nacht als der Inspektor am Tatort eintrifft. Menschen haben sich Empfangsbereich des Hotels versammelt. Nervös bis gelangweilt sitzen oder stehen sie.
Ein Ehepaar, dessen Kleidung nach Reichtum aussieht, begrüßt ihn herzlich. Die anderen Gäste nicken.
„Okay, sind alle Gäste und das Hotelpersonal anwesend?“
Mit einem strengen Blick sieht sich ein Mann in anthrazitfarbenem Anzug um: „Meines Erachtens nach sind unsere vier Gäste vollständig anwesend.“
Er sieht zu dem Paar: „Herr und Frau Möglin.“ und zu einer jüngeren Frau mit sichtbaren Rundungen: „Frau Gardner.“. Dann geht er ein paar Schritte um eine große Säule herum, zeigt auf einen dürre Mann, der sich dahinter versteckte: „Und hier befindet sich Herr Mittelstädt.“
Desinteressiert starrt der dürre Typ auf den Boden.
In Gedanken analysiert der Inspektor die Vorstellungsrunde:
„Das Pärchen ist zu freundlich für einen Mord. Könnte Taktik sein, oder auch nicht. Die junge Dame dagegen hat es faustdick hinter ihren Ohren. Sie hat ein Techtlmechtl mit dem Anzugträger. Warum sonst sollte sie ihn heimlich anblicken? Aus ihrem Augenaufschlag bricht Vulgarität aus. Aber hätte sie auch den Schneid für einen Mord oder verbringt sie zu viel Zeit mit Vögeln? Den Mittelstädt hat sie auch an der Angel. Der fühlt sich unwohl neben dem grauen Anzug. Sieht in ihm eine Konkurrenz, die er unmöglich ausschalten kann. Darum lechzt er nach jeder Minute Sex, die er der Gardner abringen kann. Mittelstädt hat bestimmt keine Zeit einen Mord zu begehen. Sonst könnte er den großen Stich verpassen.“

Es sind Zeilen, dich tausend Mal gelesen habe. Fast langweilen sie mich. Weiter zu lesen ist schwierig. Als Autor weiß ich was kommt.

„Und Sie sind? Sie haben mir Ihren Namen noch nicht verraten.“ Der Inspektor müht sich eine tadelnden Ton anzuschlagen.
„Mein Name ist Robert von Otte. Ich bin Hotelinhaber und für die Personalführung verantwortlich. Hier passiert nichts ohne mein Wissen.“
Glücklicherweise kann der Inspektor sein Lachen durch ein Schnauben ersetzen: „Dann können Sie mir sicherlich sagen, wer den Mord begangen hat?“ Aber das ist nicht das was er gedacht hat. Niemals könnte er den echten Gedanken laut sagen: „Du aufgeblasener Wicht merkst nicht mal, dass deine Affäre eine Affäre hat.“
„Nein, den Mord natürlich ausgenommen.“ Kälte strömt aus von Otte.

Den nächsten Teil überfliege ich, nehme höchstens Wortfetzen wahr. Herr von Otte stellt das Personal vor und bringt den Inspektor zum Tatort. Bevor der Ermittler den Raum in dem die Ermordete liegt betritt, wendet er sich an den Hotelinhaber.

„Können Sie ihr Dienstmädchen … Frau ...“
„Lück. Anja Lück.“
„Ja, die Frau bitte unverzüglich her beordern?“
„Natürlich. Sie verstehen von selbst, dass ich außerhalb des Raumes bleiben möchte. Schließlich ist der Anblick meiner toten Gattin für mich verstörend.“
„Selbstverständlich.“

So, der ermittelnde Beamte betritt den Raum, stellt fest, dass die tote Frau der Gardner ähnlich sieht. Sie könnten Mutter und Tochter sein. Dann kommt das große Finale und die Aufklärung des Falles.

„So, ich bin überzeugt, dass die Mörderin bald zu uns stößt.“
Erwartungsvoll sehen ihn die Gäste und das Personal an.
„Heißt das, keiner hier hat Frau von Otte ermordet?“ Gardners große geweitete Augen verlangen eine Antwort vom Inspektor.
„Es kling als hätten Sie eine Idee, wer die Dame umgebracht hat?“
„Ähm … nein.“ Betreten blickt die junge Frau zu Boden.
Der analytische Teil des Ermittlergehirns formt eine unausgesprochene Erwiderung: „Ginge es nach dir, wäre es Frau Möglin. Dann könntest du den verletzten Ehemann im Bett trösten und würdest das eine oder andere Geschäftsgeheimnis in Erfahrung bringen. Für Geld machst du fast alles.“
Plötzlich beginnt es laut zu Donnern. Die Eingangstür des Hotels öffnet sich und die Umrisse des Dienstmädchens lösen sich von der Nacht.
„Frau Lück! Sie war es. Sie hat Frau von Otte ermordet. Es war jedoch ein Fehler. Weil sie eine Bindehautentzündung hat, konnte sie ihr Opfer nicht genau erkennen. Statt Frau Gardner erwischte sie Frau von Otte. Ja, Frau Gardner, sie sollten sterben, weil sie ihr den Lover weggenommen haben. Tanja Lück wollte so gern den Platz an Herrn Ottes Seite haben. Schließlich wäre es nur eine Frage der Zeit bis der Krebs Frau von Otte zu Tode ringen würde. Nur leider haben Sie die Pläne von Frau Lück durchkreuzt indem sie sich an den Hotelinhaber ran gemacht haben.“
„Was?! Wieso?! Und ich dachte du würdest mich lieben, von wegen du hättest den Männern abgeschworen!“ Das hatte der Inspektorenverstand übersehen: Frau Gardner ist bi und hat eine weitere Affäre mit der Möglin.

Passt doch alles! Ich weiß nicht was du hast!“
Pah! Nichts passt. Hast du denn gar nichts gelernt in deinen Schreibseminaren?“
Doch.“
Und was?!“
Na, Show don´t tell und Spannung aufbauen.“
Wie kann denn dein Ermittlertyp auf das Dienstmädchen kommen?“
Ach hast du es nicht erraten?“
Nee ...“
Habe ich gut gemacht, oder?“
Kopfschütteln und ein lautes Klatschen als die Hand auf dem Kopf landet.
Siehst, du, es ist mir gelungen. Du hattest keine Ahnung wer der Mörder ist.“
Ja, weil du die Figur erst am Ende erwähnst.“
Es heißt doch man soll auch mal mit den Regeln brechen.“
Verstehe … Dennoch ist es nicht gut! Allein diese vielen Dinge, die der Inspektor glaubt zu wissen.“
Ich finde es gut.“
Mach lieber nochmal einen Kurs. Denn deine Geschichte hinkt extrem.“
Weißt du was? Du bist jetzt endlich still. Ich stelle sie so wie sie ist, auf der Autorenwiese ein und dann werden wir ja sehen, ob sie gut ist oder nicht.“ Mit einem Fingerschnippen fliegt das kleine Teufelchen namens „innerer Kritiker“ von meiner Schulter. Ich habe echt keinen Bock mehr auf die ewigen Diskussionen mit ihm. Endlich konnte ich eine Geschichte beenden ohne, dass er immer dazwischen meckert und den Schreibflow hemmt. Trotzdem ist es ihm nicht gut genug.


Finde den Mut für die Veränderung, die du dir wünscht,
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#2

RE: SGZ 18/ Krimi schreiben

in Die Geschichten der Woche 04.05.2023 11:07
von Bree • Federlibelle | 4.337 Beiträge | 17414 Punkte

Liebe @Sabrina Meinen

eine witzige Idee, uns teilhaben zu lassen an der Geburtsstunde eines Krimis aus deiner Feder.
Tatsächlich scheint dein Kommissar recht gut Gedanken lesen zu können.

Zitat von Sabrina Meinen im Beitrag #1
Die junge Dame dagegen hat es faustdick hinter ihren Ohren. Sie hat ein Techtlmechtl mit dem Anzugträger. Warum sonst sollte sie ihn heimlich anblicken? Aus ihrem Augenaufschlag bricht Vulgarität aus. Aber hätte sie auch den Schneid für einen Mord oder verbringt sie zu viel Zeit mit Vögeln? Den Mittelstädt hat sie auch an der Angel.

In Wirklichkeit dauert es sicher länger, hinter die Masken der potentiellen Verdächtigen zu blicken. Aber darum geht es im Grunde gar nicht in deiner Geschichte, sondern darum, dass unser kleiner Kritiker immer wach und immer da ist, viel zu selten die Schnauze hält und uns weismachen möchte, dass wir nicht gut genug sind.
Das hast du sehr schön deutlich gemacht.

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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#3

RE: SGZ 18/ Krimi schreiben

in Die Geschichten der Woche 04.05.2023 20:52
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 569 Beiträge | 1677 Punkte

Genau deshalb halte ich mich vom richtigen Krimi schreiben fern. Ich sehe es als Wahnsinnsleistung an, die Szenen aufzubauen, Hinweise zu streuen, die Spannung hoch zu halten, nicht zu viel verraten und vor allem die Logik. Und die Recherchearbeit dazu.


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#4

RE: SGZ 18/ Krimi schreiben

in Die Geschichten der Woche 10.05.2023 20:00
von -jek • Federlibelle | 711 Beiträge | 2145 Punkte

@Sabrina Meinen Gräme dich nicht, Sabrina, ich finde es im Gegensatz zu Bree auch sauschwer, einen vernünftigen Plot hinzubauen. In dem Fall deiner originellen Geschichte wäre ein guter Plot auch kontraproduktiv für das unterhaltsame Ergebnis gewesen.


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#5

RE: SGZ 18/ Krimi schreiben

in Die Geschichten der Woche 10.05.2023 20:14
von Carlotta Lila • Federlibelle | 2.151 Beiträge | 9415 Punkte

Liebe @Sabrina Meinem, ich finde diesen kommentierten Krimi wehr witzig.
Ja und: Unsere lieben Nächsten, auch wenn sie uns so nahe stehen, sind oft nicht unsere besten Fans.
Also bitte weiter schreiben und ich kann mir vorstellen, dass du bei deiner Beobachtungsgabe einmal einen supercoolen Krimi raushaust. Wer weiß!
Liebe Grüße
Carlotta Lila


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#6

RE: SGZ 18/ Krimi schreiben

in Die Geschichten der Woche 13.05.2023 15:09
von Doro • Federlibelle | 2.350 Beiträge | 9189 Punkte

Liebe @Sabrina Meinen ,

würde es um den Krimi gehen, würde ich dem inneren Kriitker recht geben.

Die Story ist verbesserungswürdig und der Kommissar ist mir unsympathisch, vor allem, weil er sich ziemlich schnell über andere eine Meinung bildet.
Aber darum geht es ja nicht.

Wäre es doch so einfach, dass man den inneren Kritiker nur von der Schulter schnipsen muss. Aber der sitzt da oft wie hingetackert.

Gern gelesen.

LG
Doro


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