„fiktiv?“
von Herbert Glaser
„Was ist eigentlich dein Problem?“
„Mein Problem? Was genau meinst du damit?“
„Gerade habe ich deine neuen Kurzgeschichten gelesen. Muss du dir immer so schlimme Themen ausdenken? Und dann immer der abrupte, zynische Schluss … schrecklich! Meine Empfehlung an dich wäre, mal was Schönes zu schreiben.“
„Naja, ich habe auch schon romantische Geschichten geschrieben, sogar mit Happy End.“
„Eine von 100 vielleicht, das ist doch nicht der Rede wert.“
„Es sind doch nur fiktive Erzählungen. Und vergiss nicht die mit dem Elefanten, die wurde sogar in einer Anthologie für Kinder veröffentlicht.“
„Also gut, dann halt zwei von 100. Aber die anderen Texte mit den Gewaltszenen und menschlichen Schicksalen sind bestimmt nicht für Kinder geeignet. Unser zehnjähriger Sohn würde sicher Albträume bekommen.“
„Mama?“
„Schatz … was ist mit dir, du bist ja ganz blass. Hast du etwa im Buch von Papa gelesen? Oh mein Gott, ich hätte es nicht liegenlassen dürfen. Sieh nur, was du angerichtet hast! Komm her mein Schatz, alles wird gut. Lass uns darüber reden. Welche Geschichte hat dich denn so schockiert?“
„Ich habe nicht in Papas Buch gelesen.“
„Aber warum bist du denn dann so verstört?“
„Ich habe gerade die Nachrichten gesehen.“