#1

SGZ Nr. 39 - Auf jeden Fall mit Ypsilon!

in Die Geschichten der Woche 25.09.2022 16:31
von Bree • Federlibelle | 4.335 Beiträge | 17407 Punkte

Auf jeden Fall mit Ypsilon!

„Das ist einfach perfekt!“, jubelt Sina und dreht sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis. Sie strahlt über das ganze Gesicht, dann fällt sie Tim um den Hals. „Was sagst du? Es ist doch einfach großartig, oder?“
Tim schaut sich noch einmal prüfend um. Die Räumlichkeiten sind in der Tat wie für eine Bar gemacht. Sogar ein langer Tresen ist vorhanden. Es gibt zwei ineinander übergehende Räume; vorn die Theke und ausreichend Platz für einige Tische, und wenn man durch den breiten Durchgang geht, gibt es eine Tanzfläche und auch eine kleine Bühne.
„Wenn das wirklich stimmt mit dem Mietpreis“, sagt er langsam, „dann sollten wir zuschlagen.“
Sina quietscht begeistert und drückt ihn an sich, dass ihm fast die Luft wegbleibt. Er muss lachen. Ihre Freude ist ansteckend.
„Was meinst du, wie sollen wir sie nennen?“, fragt Sina mit leuchtenden Augen. „Der Name muss etwas Besonderes sein. Einer, der im Ohr bleibt, der neugierig macht.“
„Jedenfalls nicht so ein Allerweltsname wie ‚Wunder-Bar‘ oder ‚Schein-Bar‘“, meint Tim und gibt Sina einen Kuss.
„Aber er sollte was mit uns zu tun haben. Und ich will ein Ypsilon im Namen. Ich liebe diesen Buchstaben.“ Sina runzelt nachdenklich die Stirn und schürzt die Lippen. Verliebt sieht Tim sie an. Er kann sich nicht sattsehen, wenn sie ihre Schnute derart verzieht.
„Lass uns mal nachdenken“, sagt er. „Du bist flippig, tanzt gern und liebst Cocktails.“
„Und du bist eher ruhig, praktisch und hast zwei linke Füße.“ Sie zwinkert ihm zu.
„Hey!“, fährt er auf und piekst ihr empört in den Bauch. Doch dann grinst er. „Okay, du hast ja recht.“

Zwei Wochen später stehen alle Zeichen auf Eröffnung. Die Einrichtung ist komplett, die Bar mit vielen bunten Flaschen und verschieden großen Gläsern ausgestattet, die Auflagen fürs Gewerbeamt fast alle erfüllt. Es fehlt nur noch eines. Ein Name.
Die Frage nach der Bar-Bezeichnung zerrt an Tims und Sinas Nerven. Sie werden sich einfach nicht einig. Sina hatte Vorschläge wie ‚Cocktayl-Bar‘, ‚Yuppieladen‘ oder ‚Whiskytreff‘. Grauenvoll, findet Tim. Er ist eher für gediegenere Namen wie ‚Tequila Sunset‘, ‚Martini-Pub‘ oder ‚Caipi-Bar‘, doch nichts davon gefiel Sina. „Das klingt nach Urlaub in der Karibik, nicht nach einer Bar in Flensburg.“
Eine Logik, der Tim nicht zwingend folgen kann. Er hat sogar angeboten, irgendwo ein blödes Ypsilon einzubauen, doch Sina war störrisch wie ein Maulesel. Seine Vorschläge seien alle öde und blöde, hat sie gesagt, woraufhin er erwiderte, ‚Öde & Blöde‘ sei ja auch keine üble Idee. Daraufhin hat sie mit einer Putzmittelflasche nach ihm geworfen, zum Glück aber nicht getroffen. Doch der restliche Abend war verdorben.
„Wir brauchen jetzt dringend einen Namen“, bringt Tim das leidige Thema wieder auf den Tisch. „Sonst können wir keine Werbung für die Eröffnung machen. Und das Gewerbeamt nervt auch.“
Sina steht hinter der Theke und wienert sie, obwohl sie blitzsauber ist. Ihre Stirn ist sturmumwölkt. „Denk dir einfach was aus“, sagt sie und klingt reichlich genervt dabei. „Ich habe die Schnauze voll bis hier oben.“ Sie hebt die Hand mit dem Putztuch und zieht oberhalb ihres Scheitels eine imaginäre Linie.
„Ich auch, glaub mir.“ Tim stöhnt leise und tippt mit dem Kugelschreiber auf dem Block herum, den er vor sich liegen hat. Er sitzt an der Bar und hat einen Kaffee vor sich stehen. Die Tür öffnet sich vernehmlich und Tim dreht sich herum. Als er erkennt, wer sie besucht, verkneift er sich mühsam einen Seufzer. Es ist der Typ vom Gewerbeamt. Fabian König heißt er, und immer, wenn er auf Sina trifft, flirtet er auf Teufel komm raus mit ihr. Das wäre schon schlimm genug, doch seit Tim und seine Freundin sich wegen des blöden Namens immerzu streiten, hat er das Gefühl, dass sie auf die Flirtversuche dieses Heinis anspringt.
„Tagchen!“, ruft Fabian König vergnügt und kommt näher. „Und? Endlich einen Namen? Sie brauchen ja schließlich auch ein Logo, das nimmt Zeit in Anspruch. Zeit, die Sie nicht …“
„Ja ja, ich weiß, Zeit, die wir nicht haben“, vollendet Tim gereizt den Satz.
„Sei nicht so unhöflich, Tim!“, weist Sina ihn verärgert zurecht. Dann lächelt sie diesen König an. „Uns fällt bestimmt sehr bald etwas ein“, versichert sie. „Wir haben drei Namen in der engeren Auswahl.“
Das ist eine glatte Lüge. Verblüfft schaut Tim sie an. Sie deutet ein kaum wahrnehmbares Achselzucken an, als wolle sie sagen: „Irgendwas müssen wir ihm doch erzählen.“
„Funktioniert die Hydraulik für die Bierzapfanlage denn inzwischen?“, will Herr König wissen.
„Ja, einwandfrei“, sagt Tim. Dann stutzt er, denkt ein wenig nach und beginnt, Buchstaben auf den Block zu zeichnen, in schön geschwungener Form. Sowas kann er gut. Er ist so konzentriert, dass er nur am Rande mitbekommt, wie Sina dem Amtsheini ein Getränk anbietet. Die zwei unterhalten sich, scheinen sich gut zu amüsieren. Tims Ehrgeiz ist geweckt. Er wird dem Kerl ein großartiges Logo präsentieren und dafür sorgen, dass er keinen Grund mehr findet, unangemeldet vorbeizuschauen.
„Was machst du da eigentlich?“, will Sina plötzlich wissen, und schielt auf seinen Block, doch Tim deckt die Zeichnung mit seiner Hand ab.
„Was genau tun wir in der Bar?“, fragt er.
Verwirrt schaut Sina ihn an. Fabian Königs Blick zeigt eher Neugier.
„Wie, was wir machen?“, hakt sie nach.
„Was ist unsere Aufgabe?“
„Na, wir schenken Getränke aus.“
Tim nickt. „Genau. Wir übertragen Flüssigkeit von einem Ort zum anderen. Es strömt sozusagen, wenn auch durch die Kehlen unserer Gäste.“
Sie starrt ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Worauf willst du hinaus, zum Kuckuck?“
„Die Hydraulik ist die Lehre vom Strömungsverhalten der Flüssigkeiten“, erläutert Tim. „Und du wolltest doch gern einen Namen, in dem ein Ypsilon vorkommt.“
„Hydraulik?“, fragt sie perplex. „Ist das dein Ernst? Das klingt eher nach einer Gas-, Wasser-, Scheißefirma.“
Tim schiebt ihr schweigend seinen Logo-Entwurf hin. ‚Hydraulic-Bar‘ steht da in kunstvoll geschnörkelten Buchstaben.
„Sieht gar nicht übel aus“, gibt Sina zu und murmelt den Namen ein paarmal vor sich hin. Dann sieht sie lächelnd Fabian König an. „Ich glaube, wir haben einen Namen.“
"Ja, und Sie haben mich auf die Idee gebracht", fügt Tim hinzu. "Danke dafür!"
Er sieht, dass König sein Gesicht unwillig verzieht. Er ist sichtlich enttäuscht, dass er nun nicht mehr alle Naselang vorbeikommen und nach dem Stand der Dinge fragen kann. Und er scheint sich zu ärgern, dass er selbst daran nicht unbeteiligt war. Tim bemüht sich um ein gleichmütiges Gesicht, doch innerlich grinst er zufrieden. Er steht auf. „Ich schicke Ihnen die letzten Unterlagen per Mail“, sagt er und reicht ihm die Hand. „Vielen Dank für Ihren Einsatz, wir wissen das zu schätzen.“
„Ich, äh, ja, gerne …“, stottert König und sieht zu Sina. „Wenn Sie möchten, dann könnte ich morgen nochmal vorbeikom –“
„Das wird nicht notwendig sein.“ Sina kommt hinter dem Tresen hervor und stellt sich neben Tim. Ihre Hand findet seine, drückt sie. „Aber Sie dürfen gern zur Eröffnung vorbeischauen.“
Fabian König nickt ernst, dann dreht er sich um und verlässt ohne ein Wort des Abschieds die Bar.
Sina strahlt Tim an, genauso wie vor ein paar Wochen, als sie beschlossen hatten, diese Bar zu mieten. „Der Kerl ging mir langsam echt auf die Nerven“, bemerkt sie augenzwinkernd. „Gut, dass du die zündende Idee hattest. Nun sind wir ihn endlich los.“
„Und die schlechte Stimmung zwischen uns auch“, fügt Tim hinzu und zieht Sina in seine Arme. „Das ist mir noch viel wichtiger.“


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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#2

RE: SGZ Nr. 39 - Auf jeden Fall mit Ypsilon!

in Die Geschichten der Woche 25.09.2022 18:35
von -jek • Federlibelle | 711 Beiträge | 2145 Punkte

Da hast du dir eine spannungsvolle Charakter-Konstellation ausgedacht. Somit konntest du es in der herbeigeschriebenen Stress-Situation gut krieseln lassen. Ich hatte meinen Spaß beim Lesen.


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Wenn du Schreibregeln beherrscht, ist das gut. Wenn sie dich beherrschen, ist das schlecht.
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#3

RE: SGZ Nr. 39 - Auf jeden Fall mit Ypsilon!

in Die Geschichten der Woche 27.09.2022 11:11
von Bree • Federlibelle | 4.335 Beiträge | 17407 Punkte

Vielen Dank, lieber @-jek
für deine Rückmeldung. Freut mich, dass du Spaß hattest beim Lesen.
Bei dem SGZ-Wort stand ich erst völlig auf dem Schlauch, bis ich die Idee mit dem Barnamen hatte.
Technisches ist ja nicht so meins ...

LG
Bree


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#4

RE: SGZ Nr. 39 - Auf jeden Fall mit Ypsilon!

in Die Geschichten der Woche 28.09.2022 17:19
von Gini • Federlibelle | 1.797 Beiträge | 3677 Punkte

@Bree Tim und Sina, zwei unterschiedliche Menschen, die sich aber anziehen.
Die Geschichte erinnert mich ehrlich gesagt an "Die Auswanderer".
Da wollen die Leute meist auch irgendeine Bar eröffnen.
Hydraulic Bar, sehr interessant und hat bestimmt noch keiner. Da würde man schon rein spazieren, aus
lauter Neugier. Tja, der Herr König hat sich wohl etwas anderes erhofft.


Gedanken sind nicht stets parat,/ Man schreibt auch, wenn man keine hat.

Wilhelm Busch (1832-1908)
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#5

RE: SGZ Nr. 39 - Auf jeden Fall mit Ypsilon!

in Die Geschichten der Woche 02.10.2022 11:15
von Bree • Federlibelle | 4.335 Beiträge | 17407 Punkte

Liebe @Gini

danke für dein Feedback!

Zitat von Gini im Beitrag #4
Die Geschichte erinnert mich ehrlich gesagt an "Die Auswanderer".
Da wollen die Leute meist auch irgendeine Bar eröffnen.

An sich schaue ich solche Sendungen nicht, aber manchmal zappt man halt rein. Meinen Mann regt es immer total auf, wenn Leute, die eigentlich Klempner, Buchhalter oder Dachdecker sind, meinen, wenn sie eine Bar oder ein Restaurant eröffnen, rollt der Rubel, auch wenn sie keine Ahnung haben. Ich habe hier absichtlich offen gelassen, was Sina und Tim vorher beruflich gemacht haben, weil es für die Story keine Rolle spielt.

Zitat von Gini im Beitrag #4
Hydraulic Bar, sehr interessant und hat bestimmt noch keiner. Da würde man schon rein spazieren, aus
lauter Neugier.

Ja, das kann man den beiden nur wünschen.

LG
Bree


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