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SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 11:58von Doro • Federlibelle | 2.416 Beiträge | 9470 Punkte
Elses Rezept
„Was ist das?“, knurrte Theo und beäugte misstrauisch den Inhalt des Topfes.
„Kürbisrisotto mit Feta“, antwortete Silke und stellte die Schüssel mit dem Salat ebenfalls auf den Tisch.
Theo lehnte sich auf dem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kürbis. Von morgens bis abends Kürbis.“ Angewidert verzog er das Gesicht. „Ich möchte einmal erleben, dass du was kochst, was schmeckt. Du kannst deinen Kürbisscheiß allein fressen.“ Bruno kläffte zustimmend. Silke schluckte. Den ganzen Vormittag hatte sie in der Küche gestanden und gekocht. Theo nahm den Löffel, der im Risotto steckte, und ließ den Inhalt auf den Boden platschen. Bruno kam neugierig näher, schnupperte und rümpfte die Schnauze. Er sah aus wie sein Herrchen und war genauso drauf. Bissig, fast immer schlecht gelaunt und beide furzten ständig um die Wette. Silke konnte nicht mehr verstehen, was sie an diesem Mann gefunden hatte. Und ehrlich gesagt, wollte sie sich auch gar nicht daran erinnern.
„Es ist nun mal Kürbiszeit“, erklärte sie und putzte die Sauerei auf dem Boden auf.
Theo erhob sich, schnappte sich seine speckige Lederjacke. „Ich geh in die Post zum Alois. Da gibt’s bestimmt eine schöne Schweinshaxe oder noch besser, ein blutiges Steak.“ Er griff sich die Autoschlüssel und pfiff dem Hund. „Wenn’s heute Abend kein Fleisch gibt, dann …“ Er überlegte. Silke musste nicht hinschauen, um zu wissen, dass das Denken ihn so anstrengte, dass sein Kopf einer übergroßen Tomaten glich. „… dann werd ich zum Mörder.“
Als die Tür ins Schloss fiel, setzte sich Silke an den Tisch und aß das Risotto. Es schmeckte fantastisch. Den Rest würde sie einfrieren. Vom Küchenfenster aus hatte sie einen schönen Blick über den Gemüsegarten. Noch nie waren so viele Kürbisse gewachsen. Ihr Blick wanderte weiter zum Hackklotz, wo ihr Großvater einst Hühner geschlachtet wurden. Da der Hof zum Kulturprogramm „Wie’s früher war“ gehörte, ließ Silke den Hackklotz stehen.
Morgen Abend würde das Kürbisfest auf dem Dorfplatz stattfinden. Jeder brachte etwas fürs Buffet mit, die Getränke wurden jedes Jahr von der Freiwilligen Feuerwehr gespendet. Silke hatte zwei Kuchen gebacken, selbstverständlich mit Kürbis. Eigentlich wollte sie noch einen Topf Kürbissuppe kochen, aber vielleicht … Sie setzte sich mit der Rezeptesammlung ihrer Großmutter in den Sessel im Wohnzimmer und blätterte darin herum. "Elses Rezepte" stand mit krakeliger Schrift vorne auf dem Ordner.
Zwei Stunden später hörte sie, dass Theo heimkam. Mit ihm wehte ein Schwall aus Zigarettenrauch, Bier und nassem Hund herein. Silke rümpfte die Nase, schnupperte an ihrem Handgelenk. Das roch nach Joop.
Bruno watschelte kläffend auf seinen krummen Beinen in die Küche, wo sie Kürbis klein schnitt. Theo warf Hundeleine und Schlüssel auf den Tisch. „Ich muss nochmal weg. Der Bruno bleibt hier.“ Ächzend kniete er sich neben den Hund, streichelte ihm über den Kopf und erklärte ihm, dass er bald wiederkäme. So viel Aufmerksamkeit hatte er Silke seit einer Ewigkeit nicht mehr geschenkt. Das Aufstehen dauerte minutenlang, aber 120 Kilo Lebendgewicht wollten in die Höhe gestemmt werden. Dafür, dass es ihm nicht schmeckte, hatte er in den letzten Jahren ordentlich zugelegt.
Sie auch, musste sie zugeben, aber nicht so schlimm. Seit er seine Arbeit verloren hatte, bewegte er sich nur noch, wenn er mit Bruno Gassi ging. Diese Spaziergänge wurden von Tag zu Tag kürzer.
„Wenn ich wieder da bin“, sagte er keuchend, als er sich aufgerichtet hatte, „will ich was Anständiges zum Essen.“ Er musterte Silke von oben bis unten. „Und nimm die dämliche Schürze ab. Schaust voll fett aus mit dem Teil.“
Silkes Hand umklammerte das Messer. Ihre Knöchel traten weiß hervor. Sie biss die Zähne zusammen, bis die Kiefergelenke schmerzten.
Als Theo ein paar Stunden später heimkam, war der Tisch gedeckt. Theo ging zum Herd, hob den Topfdeckel hoch und schnupperte. „Mmh, riecht gar nicht so schlecht.“ Er haute Silke mit der Hand auf den Hintern. „Geht doch.“
Sie verzog keine Miene, schaltete den Herd aus und stellte den Topf auf den Untersetzer.„Ist eins von Elses Rezepten.“
Theo aß mit Appetit. „Wo ist eigentlich das Fleisch her? Kann man wieder mal machen.“
Silke machte eine unbestimmte Handbewegung. „War auf alle Fälle ganz frisch.“
Hast du keinen Hunger?”, wollte er wissen.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab vorhin so viel vom Risotto gegessen. Ich bin immer noch satt.“
„Maßhalten war noch nie dein Ding“, sagte er und sah sich um. „Wo ist eigentlich Bruno?“
Sie zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Vorhin waren wir im Garten. Bin ja nicht sein Babysitter.“
Theo zog die Augenbrauen zusammen. „Wehe, wenn ihm was passiert ist.“
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 12:10von Bree • Federlibelle | 4.476 Beiträge | 18171 Punkte
Oje, liebe @Doro
ich ahne Böses! Messer, Hackklotz, leckeres Fleisch, Bruno weg ... Ich musste an den Film "Rosenkrieg" denken, mit Michael Douglas, der ja auch sehr an seinem Hund hing.
Klasse geschrieben, so richtig schön morbid mit einem Hauch Humor. Und Theo kommt herrlich unsympathisch rüber.
Bin neugierig, wie es weitergeht.
Eine kleine Erbse fiel mir auf:
Zitat von Doro im Beitrag #1
Ihr Blick wanderte weiter zum Hackklotz, wo ihr Großvater einst Hühner geschlachtet wurden.
Das heißt bestimmt: (...) wo ihr Großvater einst Hühner geschlachtet hatte.
LG
Bree
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(Sir Arthur Conan Doyle)
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 12:40von Doro • Federlibelle | 2.416 Beiträge | 9470 Punkte
Hier der Schluss:
„Was soll dem draußen schon passieren?“ Silke kicherte. „Vielleicht ist er von einem Kürbis erschlagen worden?“
„Finde ich überhaupt nicht komisch!“, brüllte Theo und wollte vom Stuhl aufspringen. Er schwankte kurz, plumpste zurück auf die Sitzfläche. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. „Mir ist ganz heiß.“ Hastig schüttete er sich Wasser in das Glas, trank in einem Zug aus. „Boah“, rülpste er, „hast du da Chili rein?“
„Unter anderem“, bestätigte sie lächelnd. „Hab ich dir eigentlich schon mal erzählt, dass es in Elses Rezeptesammlung eine Rubrik mit Spezialrezepten gibt?“
„Is mir scheißegal“, lallte er, wollte abermals Wasser einschenken, griff aber daneben.
„Denk ich mir“, sagte sie, „sollte es aber nicht sein. Obwohl – genau genommen kann es dir scheißegal sein. Und mir auch.“ Sie betrachtete ihn interessiert und ein bisschen mitleidig. Sein glasiger Blick verriet ihr, dass Elses Spezialrezept zu wirken begann. „Ich habe übrigens umdisponiert. Morgen zum Fest gibt es Kürbis con Carne.“
Was meint ihr: Soll ich den Titel in "Kürbis con Carne" umändern?
LG
Doro
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 14:04von Gini • Federlibelle | 1.809 Beiträge | 3714 Punkte
@Doro
Was für eine Story. Ich bin begeistert. Der blöde Kerl, hat es nicht anders verdient.
Scheidung wäre zwar auch noch eine Option, aber so geht es schneller.
Ich habe auch vermutet, dass Bruno dran glauben musste. Dann noch ein bisschen Gift dazu ... perfekt.
Ich weiß zwar noch nicht, was im Spoiler für ein Wort versteckt ist, hab aber so meine Vermutung.
Sehr gerne gelesen. Selbst ist die Frau. Den hätte ich auch umgebracht.
Gedanken sind nicht stets parat,/ Man schreibt auch, wenn man keine hat.
Wilhelm Busch (1832-1908)
RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 14:10von Bree • Federlibelle | 4.476 Beiträge | 18171 Punkte
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 14:16von Doro • Federlibelle | 2.416 Beiträge | 9470 Punkte
Zitat von Bree im Beitrag #5@Bree , vor einiger Zeit habe ich für eine Geschichte Gifte recherchiert. Mein Mann hat das mitbekommen und gefragt, ob er sich Sorgen machen müsse.
Oh je, ich sehe hier eine bedenkliche Entwicklung. Unsere Ehemänner müssen sich langsam vor uns in Acht nehmen, fürchte ich. lachen]
@Bree und @Gini ,
Vielen Dank fürs Lesen und Erbsen. Wie ich sehe, hattet ihr genauso viel Spaß am Lesen wie ich beim Schreiben!
Zitat von Gini im Beitrag #4
Scheidung wäre zwar auch noch eine Option, aber so geht es schneller.grin]
Aber so was von! Ein Bekannter lebt schon 3 oder 4 Jahre in Scheidung, weil die Frau sich quer stellt und ihre Anwältin immer neue dusselige Nachfragen bei Gericht stellt.
LG
Doro
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 04.10.2020 16:45von Bree • Federlibelle | 4.476 Beiträge | 18171 Punkte
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 07.10.2020 17:52von Anka • Federlibelle | 759 Beiträge | 3353 Punkte
Liebe @Doro,
den Theo hast du so widerlich beschrieben, dass ich ihn von der ersten Minute an gehasst habe. Wie hat sie es nur so lange mit ihm ausgehalten? Besonders gefallen hat mir:Zitat von Doro im Beitrag #1
Er sah aus wie sein Herrchen und war genauso drauf. Bissig, fast immer schlecht gelaunt und beide furzten ständig um die Wette.
Da musste ich echt lachen.
Ich habe die Geschichte mit einem gewissen Schauer im Rücken und einem Lächeln im Gesicht gelesen. Hat Spaß gemacht.
Obwohl man am Ende ahnt, was sie ihm da vorgesetzt hat.
Das nenne ich schwarzen Humor! Ist dir gut gelungen.
Kürbis con carne würde ich als Titel auch besser finden.
LG von Anka
Geschichten schreiben ist wie zaubern!
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RE: SGZ Nr. 14: Elses Rezepte
in Die Geschichten der Woche 11.10.2020 07:27von Sturmruhe • Federlibelle | 1.225 Beiträge | 5495 Punkte
Liebe @Doro ,
das ist eine Geschichte ganz nach meinem Geschmack! Zwar wird zwischendurch recht bald klar, dass irgend jemand das Zeitliche segnen wird, dafür sorgen Hackklotz, Beil und die Grundstimmung - aber das stört überhaupt nicht. Im Gegenteil, es erweckt eine gewisse Vorfreude auf das, was dem Ekelpaket passieren wird. Ein Kräutergarten wäre beim Blick aus dem Fenster vielleicht noch eine gute Idee, in dem unter anderem auch eine entsprechende Pflanze wächst, nebenbei erwähnt, vielleicht hat sie gerade besonders schöne Blüten, dann fällt es nicht so auf, dass es eine Giftpflanze ist. Aber das ist nur eine Idee, ist eigentlich nicht nötig.
Erst hatte ich angenommen, Theo würde sein Ende auf den Hackklotz finden. Dass es der arme Hund ist, der mit draufgehen muss, tat mir etwas leid, andererseits, als Henkersmahl das einzig Passende für den Abgang des Widerlings. Ich glaube, ich hätte ihm das kurz vor seinem Ende noch gesteckt, damit es so richtig weh tut. Und klar, Silke will sich nicht mit Theos Liebling belasten, wenn schon, denn schon.
Ganz ehrlich? Von dem Kerl hätte ich mich auch befreit. Ich habe deine Geschichte mit großem Vergnügen vom Anfang bis zum Ende verschlungen. Ein bisschen makaber, ein bisschen schwarzer Humor, spannend - einfach gut gemacht.
Liebe Grüße
Marion
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