#1

Schreibtipp: einen eigenen am besten unverwechselbaren Schreibstil entwickeln

in Komposthaufen 01.10.2023 12:27
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 569 Beiträge | 1677 Punkte

Immer mal wider lese ich in Ratgebern oder höre in Podcasts vom eigenen Schreibstil. Die Empfehlungen dazu sind mannigfaltig. Manchmal wir sogar geraten, den eigenen Stil unverwechselbar zu machen. Dass die Leser ohne sofort erkennen können um im großen Meer der Autoren:Innen besser aufzufallen.

Jedes mal, wenn ich auf diesen Tipp stoße, habe ich Fragezeichen. Darum habe ich versucht beim Lesen von Büchern zu erkennen was denn nun den Schreibstil des jeweiligen Autors:In unverwechselbar macht. Ich habe es nicht kapiert. Bei den meisten kann ich es an den Charakteren fest machen, die sie erfunden haben. Ich brauche doch bloß den Namen "Gregor Samsa" zu rufen und die meisten wissen wohin er gehört - selbst ich, die ihn nie las, kennt ihn. Oder gar der Name "Albus Dumbledore" oder der Name "Freitag".

Wie schwierig oder leicht es wirklich ist, möchte ich gern mit euch testen. Wer hat folgende Ausschnitte geschrieben? Vielleicht erkennt ihr auch das Werk.

Text 1:

George dürchwühlte saß Zeug auf dem Regal, so schnell er konnte - zwei alte leere Dosen Kiwi-Schuhcreme und Schuhputzlappen, eine kaputte Petroleumlampe, zwei fast leere Flaschen Windexx, eine alte tlache Dose Turtle-Wachs. Aus irgendeinem Grund fiel ihm diese Dose auf, und wie hypnotisiert betrachtete er fast eine Minute lang die Schildkröte auf dem Deckel. Dann legte er sie zurück und da war endlich die eckige Schachtel mit der Aufschrift GULF.
George packte sie und rannte wie ein Wilder die Treppe hinauf. Ihmwar plötzlich eingefallen, dass sein Hemdzipfel heraushing, und er warüberzeugt davon, dass ihm das zum Verhängnis werden würde; das Ding im Keller würde ihn daran packen, wenn er schon fast draußen war, es würde ihn zurückzerren und ...
Oben angekommen, knallte er die Tür hinter sich zu und lehnte sich mitgeschlossenen Augen dagegen, die Paraffinschachtel mit der Handumklammernd, Stirn und Unterarme schweißbedeckt.
Das Klavier verstummte, und die Stimme seiner Mutter ertönte: »Georgie,kannst du die Tür nicht noch etwas lauter zuschlagen? Vielleicht schaffst du es, im Esszimmerschrank einige Teller zu zerbrechen.«
»Entschuldige, Mama!", rief George.
»Georgie, du lahme Ente!«, sagte Bill aus seinem Kinderzimmer. Er flüsterte, damit ihre Mutter es nicht hören konnte.
George kicherte leise. Seine Angst war schon wieder fort; sie war so mühelos verschwunden, wie ein Albtraum einem Mann entgleitet, der mit kaltem Schweiß bedeckt und keuchend daraus erwacht, der seinen Körper und seine Umgebung wahrnimmt und sich vergewissert, dass alles nicht passiert ist - und im gleichen Moment setzt schon das Vergessen ein. Die Hälfte ist weg, wenn seine Füße den Boden berühren, drei Viertel sind weg, wenn er aus der Dusche kommt und sich abzutrocknen beginnt, und bis er mit dem Frühstück fertig ist, ist nichts mehr da. Alles weg ... bis zum nächsten Mal, wenn er sich im Griff eines Albtraums an alle Ängste erinnert.

Text 2:

Ihrer Freundin versprach das Ereignis alles erdenkliche Glück. Mr. Weston war ein vermögender Mann von untadeligem Charakter, im passenden Alter und mit angenehmen Umgangsformen; und Emma empfand eine gewisse innere Befriedigung, als sie sich vor Augen führte, mit welch selbstloser, großmütiger Freundschaft sie diese Partie stets gewünscht und gefördert hatte; aber sie selbst hatte sich damit einen Bärendiensterwiesen. Miss Taylor würde ihr täglich, stündlich fehlen. Sie dachte an früher, daran, wie freundlich sie immer zu ihr gewesen war - wie freundlich und liebevoll in all den sechzehn Jahren, wie sie seit ihrem fünften Lebensjahr mit ihr gelernt und gespielt hatte - wie sie ihre ganze Kraft daran gesetzt hatte, sie zu gewinnen und bei Laune zu halten, wenn sie gesund war - und wie sie sie während ihrer verschiedenen Kinderkrankheiten gepflegt hatte. Dafür war sie ihr zu großem Dank verpflichtet; aber das freundschaftliche Verhältnis, das sich bald nach Isabellas Heirat eingestellt hatte, als sie plötzlich allein aufeinander angewiesen waren, und in dem es keinen Rangunterschied und keine Geheimnisse zwischen ihnen gab, löste noch wehmütigere, zärtlichere Erinnerungen in ihr aus. Miss Taylor war eine Freundin und Gefährtin gewesen, wie wenige sie besaßen: intelligent, gebildet, hilfreich, sanft, mit den Gepflogenheiten der Familie bestens vertraut, an allen familiären Belangen und besonders an ihr interessiert, an all ihren Vergnügungen, all ihren Plänen Anteil nehmend; ein Mensch, mit dem sie über alles sprechen konnte,was ihr in den Sinn kam, und der eine solche Zuneigung für sie hegte, daß er nie etwas an ihr zu tadeln fand.

Text 3:

Doch das konnte er mir nicht einreden. Denn einen so hübschen Jungen wie Jonathan hat es noch nie gegeben und kann es nirgends geben.
Einmal hatte eine von Mamas Kundinnen gesagt: »Liebe Frau Löwe, Sie haben einen Sohn, der wie ein Märchenprinz aussieht!«Und damit hatte sie nicht etwa mich gemeint, das steht fest!
Jonathan sah wirklich wie ein Märchenprinz aus. Sein Haar glänzte wie Gold, und er hatte schöne dunkelblaue Augen, die richtig leuchteten, und schöne weiße Zähne und ganz gerade Beine.
Und nicht nur das. Er war auch gut und stark und konnte alles und verstand alles und war der Beste in seiner Klasse, und alle Kinder unten auf dem Hof hingen, wo er ging und stand, wie die Kletten an ihm, und er erfand Spiele für sie und zog mit ihnen auf Abenteuer aus. Ich konnte nie dabei sein, denn ich lag ja nur tagaus, tagein in der Küche auf meiner alten Schlafbank.
Aber wenn Jonathan nach Hause kam, erzählte er mir alles, was er erlebt hatte. Stundenlang konnte er bei mir auf der Bettkante sitzen und erzählen. Jonathan schlief auch in der Küche, aber auf einem Klappbett, das er abends aus der Abstelkammer holte. Und wenn er zu Bett gegangen war, erzählte er mir Märchen und Geschichten, bis Mama aus dem Zimmer rief: »Jetzt ist aber Schluss! Karl muss schlafen.
«Aber wenn man husten muss, kann man nicht gut schlafen. Manchmal stand Jonathan mitten in der Nacht auf und machte mir heißes Honigwasser, um meinen Husten zu lindern. Ja, Jonathan war lieb!

Text 4:

»Wissen Sie, ich habe eine Heidenangst vor diesem Mann. Nein, ich meine nicht den Diener - den anderen - seinen Herrn. Herr! Mit diesem Mann stimmt etwas nicht. Meine Tochter sagt ja immer, ich habe einen sechsten Sinn. 'Wenn Mama ein Gefühl hat, stimmt es meist , sagt sie. Und ich habe bei diesem Mann ein ganz komisches Gefühl. Er hat das Abteil gleich neben mir, und das gefällt mir überhaupt nicht. Letzte Nacht habe ich meine Koffer vor die Verbindungstür gestellt. Ich bilde mir ein, ich hätte ihn an der Klinke hantieren hören. Jedenfalls würde es mich gar nicht überraschen, wenn sich herausstellen sollte, dass dieser Mann ein Mörder ist - einer von diesen Eisenbahnräubern, von denen man so liest. Ich mag ja verrückt sein, aber bitte sehr - ich habe einfach Angst vor diesem Mann. Meine Tochter hat gesagt, ich würde eine angenehme Reise haben, aber irgendwie fühle ich mich hier nicht wohl. Vielleicht ist es verrückt, aber ich habe das Gefühl, dass man hier mit allem rechnen muss. Mit allem. Und wie dieser nette junge Mann es aushält, bei ihm als Sekretär zu arbeiten, das begreife ich auch nicht.«
Colonel Arbuthnot und Mr MacQueen kamen in diesem Moment über den Gang auf sie zu.
»Kommen Sie mit zu mir«, sagte MacQueen gerade. »Mein Abteil ist noch nicht für die Nacht hergerichtet. Also, eines möchte ich zu Ihrer Politik in Indien noch klarstellen, nämlich - «
Sie gingen an ihnen vorbei und weiter zu MacQueens Abteil.


Text 5:

Der Hüne leckte die letzten Fleischreste vom Knochen, warf ihn ins Gras und lächelte kummervoll.
»Schade um die kleinen Gassen«, sagte er. »Sie gefielen mir.«
»Und die Schatzkammern«, murmelte der Kleine. Nachdenklich fügte er hinzu: »Ob Diamanten brennen? Man sagt, sie bestehen aus Kohle.«
Der größere Mann ging nicht darauf ein. »Und dann das Gold. Schmilzt jetzt und fließt durch den Rinnstein. Und der Wein. Kocht in den Fässern.«
»Es gab Ratten in der Stadt«, sagte sein brauner Begleiter.
»Ratten, ja. Lässt sich nicht leugnen.«
»Und der Gestank. Im Hochsommer hielt man's dort nicht aus.«
»Zugegeben. Trotzdem wird einem irgendwie, äh, anders ums Herz. Ich meine ...« Der Hüne brachte den Satz nicht zu Ende, doch dann erhellte sich seine Miene. »Wir schulden dem alten Fredor vom Scharlachroten Blutsauger acht Silberlinge«, sagte er. Der kleine Mann nickte.
Sie schwiegen, während mehrere Explosionen eine rote Furche durch ein bis dahin dunkles Viertel der größten Stadt derScheibenwelt brannten. Dann trat der Große vom einen Bein aufs andere.
»Schleicher?«
»Ja?«
»lch frage mich, wer dafür verantwortlich ist.«
Der kleine Schwertkämpfer namens Schleicher gab keine Antwort. Er beobachtete die Straße im rötlichen Zwielicht.


Finde den Mut für die Veränderung, die du dir wünscht,
die Kraft, es durchzuziehen
und den Glauben daran, dass sich alles zum Besten wenden wird.
zuletzt bearbeitet 01.10.2023 12:33 | nach oben springen

#2

RE: Schreibtipp: einen eigenen am besten unverwechselbaren Schreibstil entwickeln

in Komposthaufen 02.10.2023 14:50
von Bree • Federlibelle | 4.337 Beiträge | 17414 Punkte

Liebe @Sabrina Meinen

ich könnte deinen Textbeispielen keinem Autor zuordnen. Ich denke, mit Gewalt kann man sich keinen typischen Schreibstil aneignen. Mir sagt man durchaus nach, einen bestimmten Stil zu haben, ich weiß aber nicht, woran das festgemacht wird. Ist vermutlich schwer in Worte zu fassen. Der eine Autor schreibt vielleicht mit einem sarkastischen Unterton, der nächste benutzt möglicherweise viele Adjektive oder sehr kurze Sätze ... Ich denke, man entwickelt einfach seinen eigenen Stil im Laufe der Zeit.

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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Alles über meine Bücher & mich findet ihr auf meiner Website: www.brittabendixen.de
Einen eigenen Youtube-Kanal habe ich auch. Dort lese ich einige meine Geschichten.
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Sabrina Meinen hat sich bedankt!
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#3

RE: Schreibtipp: einen eigenen am besten unverwechselbaren Schreibstil entwickeln

in Komposthaufen 11.10.2023 22:28
von Sabrina Meinen • Federlibelle | 569 Beiträge | 1677 Punkte

@Bree
Okay, wenn niemand sonst eine Idee hat, wer was geschrieben hat, dann gebe ich die Autor:Innen vor. Vielleicht lässt sich dann der eine oder andere Text erkennen.

Von folgenden Autor:Innen habe ich die Texte: Astrid Lindgren, Agatha Christie, Terry Pretchet, Jane Austen und Stephen King.
Es darf wieder geraten werden.


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zuletzt bearbeitet 11.10.2023 22:28 | nach oben springen


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