#1

SGZ Nr. 10/23 "... wenn es trotzdem klappt."

in SGZ - Die Themen 05.03.2023 14:50
von Michael Kothe • Fleißbiene / Fleißdrohne | 137 Beiträge | 203 Punkte

»Na, Paule, alles am Mann? Handschuhe? Maske?«
»Jepp! Alles dabei, wie immer.«
»Knarre?«
»Muss das sein? Ich hatte gehofft, es ginge auch ohne.«
»Ist ja nur für den Notfall. Tu einfach, was ich dir sage.«
»Klar, Ede!«
»Hör mal! Erstens heiße ich nicht Ede, sondern Edwin, und zweitens bist du zwar mein Neffe, aber ich bin der Boss. Und als solcher verlange ich mehr Respekt. Verstanden?«
»Ja, Chef. Verstanden. Ähm, was ist, wenn die Karre nicht anspringt, wenn wir rauskommen? Schließlich haben wir’s dann eilig.«
»Das lass mal meine Sorge sein! Du fährst.«
Während sein Neffe auf den Fahrersitz kletterte, wuchtete Edwin das Schweißgerät in den Laderaum und vergewisserte sich, dass die Hecktüren des alten Lieferwagens richtig schlossen.
Der Rushhour, wenn die meisten Menschen Feierabend machten, war’s geschuldet, dass sie eine Extrarunde um den Gebäudekomplex fahren mussten. Dennoch fanden sie auch beim zweiten Versuch keinen Parkplatz direkt vor dem Eingang, und so stellten sie das Fahrzeug ein paar Schritte weiter entfernt ab.
Mit kurzen Blicken nach allen Seiten orientierte sich Edwin. »Gut so, hier können wir wenigstens ohne zu rangieren gleich losfahren.« Jeder Situation konnte er etwas Gutes abgewinnen.

»Bitte, wir haben hier Maskenpflicht!« Grimmiger konnte die Brünette hinter dem Infotresen nicht schauen. Widerspruch war sicherlich nicht angesagt. »Sie wünschen?«
»Oh ja, Verzeihung! Eben hatte ich noch dran gedacht. Also, ich bin Spenglermeister Edwin Haberkorn, und das ist mein Neffe und Azubi Paul. Wir sollen hier eine Dachrinne reparieren.«
Unvermittelt wechselte der Blick der Empfangsdame von abweisend zu beinahe liebevoll.
»Oh ja! Fein, dass Sie heute schon kommen, da müssen die Krankentragen nicht länger durch den Regen geschoben werden. Die defekte Rinne ist am Ende des Flures bei der Notaufnahme. Über der Einfahrt für die Krankenwagen.«
Edwin gönnte ihr ein breites Lächeln, und nach einem kurzen »Dankeschön!« wies er Paul mit einer knappen Geste an, das abgesetzte Schweißgerät wieder aufzunehmen. Er selbst hatte den kleinen Werkzeugkoffer gar nicht erst abgestellt.

Zwei Stunden später streiften beide ihre Arbeitshandschuhe ab und stopften sie zu dem Werkzeug.
Paul kratzte sich am Kinn. »Wozu sollte ich unbedingt die Knarre mitnehmen? Die haben wir gar nicht gebraucht.«
»Ach, Paul, wart’s einfach ab!«
Unaufgefordert schwang sich Paul auf den Fahrersitz, drehte den Zündschlüssel um und …
»Ich hab’s dir ja gesagt, Onkel. Die Karre zickt und will mal wieder nicht anspringen. Und wir wollten doch heute früher Feierabend machen.«
Edwins Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen.
»Die Halterung rüttelt sich immer wieder lose. Den Blaumann hast du noch an. Nimm jetzt die Knarre und eine 13er Nuss, kriech unter den Wagen und zieh die Schrauben vom Anlasser richtig fest.«
»Du meinst, dafür war die …?«
»Genau dafür. Organisation ist eben, wenn’s trotzdem klappt. Und dann auf in den Feierabend!«


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zuletzt bearbeitet 05.03.2023 14:53 | nach oben springen

#2

RE: SGZ Nr. 10/23 "... wenn es trotzdem klappt."

in SGZ - Die Themen 05.03.2023 21:56
von blauer Granit • Federlibelle | 691 Beiträge | 3476 Punkte

@Michael Kothe
Eine originelle Wendung. Ich dachte wirklich es ginge um einen Raubüberfall.


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#3

RE: SGZ Nr. 10/23 "... wenn es trotzdem klappt."

in SGZ - Die Themen 06.03.2023 14:54
von Doro • Federlibelle | 2.350 Beiträge | 9189 Punkte

Auch mich hast du hinters Licht geführt, @Michael Kothe .

Bei Knarre dachte ich automatisch an eine Waffe. Wahrscheinlich, weil ich kein Handwerker bin, sonst hätte ich vielleicht an das Werkzeug gedacht.

LG
Doro


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#4

RE: SGZ Nr. 10/23 "... wenn es trotzdem klappt."

in SGZ - Die Themen 06.03.2023 21:34
von Rita Adam • Grashüpfer | 28 Beiträge | 96 Punkte

@Michael Kothe,
das mit der Knarre war zu Beginn der Geschichte wirklich irreführend. Es ist dir gelungen, mich hinters Licht zu führen. Erst als klar war, dass sie in einem Krankenhaus sind, kam ich ins Grübeln, weshalb sie dort eine Knarre brauchen. Ich weiß zwar, was eine Knarre ist, aber ich bin trotzdem nicht auf das Werkzeug gekommen.
LG Rita


zuletzt bearbeitet 06.03.2023 21:36 | nach oben springen

#5

RE: SGZ Nr. 10/23 "... wenn es trotzdem klappt."

in SGZ - Die Themen 07.03.2023 11:29
von Bree • Federlibelle | 4.337 Beiträge | 17414 Punkte

Lieber @Michael Kothe

auch mich hast du drangekriegt - zumal die Konstellation Onkel - Neffe bei dir schon mal kriminell angehaucht war.
Ich kenne das Werkzeug nicht, glaube ich, es sei denn, es ist dieses Ding, dass so knarrt, wenn man es dreht. Ist es das?

Jedenfalls geschickt gemacht. Gern gelesen!

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
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#6

RE: SGZ Nr. 10/23 "... wenn es trotzdem klappt."

in SGZ - Die Themen 07.03.2023 15:35
von Michael Kothe • Fleißbiene / Fleißdrohne | 137 Beiträge | 203 Punkte

Ihr Lieben,

dann hat sie ja funktioniert, meine spontane Idee! Irgendwie scheint sich der Krimi zu meinem Lieblingsgenre zu mausern (wenn auch im April eine Fantasy-Kurzgeschichte in einer Pohlmann-Anthologie abgedruckt wird). Da wollte ich es eben mal umkehren. Herausgekommen ist das Vortäuschen einer Straftat, was an und für sich auch strafbar ist.

Ja, die Knarre! Auch Ratsche genannt...

Liebe Grüße
Michael


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