#1

Anfang von Notar der Toten in kurzer Form

in Romanprojekte & was damit zusammenhängt 22.05.2025 11:19
von Nickeline • Wiesenwicht | 11 Beiträge | 27 Punkte

Notar der Toten (verändeter Anfang)

Marianne, der Himmel im Osten zieht sich zu. Das sieht nicht gut aus!“, ruft Susanne ihrer Freundin zu.
„Das ist nur eine kleine Schlechtwetterfront. Mache dir keine Sorgen. Die zieht ab.“
Sie hebt den Kopf, schaut rauf zum Mast und stellt fest: „Aber der Wind weht aus westlicher Richtung.“
„Nun komm. Das ist doch nur eine dunkle Wolke. Früher warst du nicht so bange.“
„Damals waren wir auch noch jung. Aber, Du wirst es schon wissen, ob da ein Sturm aufzieht, oder nicht. Schließlich warst du die Bessere im Segeln.“
Die Wellen peitschen heftiger gegen das Boot. Der Wind schlägt die Segel hin und her.
Isabel stupst Franziska in die Seite: „Ich gehe runter in die Kajüte. Das ist sicherer. Kommst du mit?“
„Was meint ihr? Bin ich hier oben für euch eine Hilfe?“, richtet sich Franziska an ihre Freundinnen.
„Nein, wir brauchen euch nicht. Geht ihr man runter. Das schaffen wir auch zu zweit. Ich sage Bescheid, wenn wir da sind, dann könnt ihr wieder raus kommen. In ein paar Stunden sind wir gesund und munter im Hafen von Bagenkob. Das verspreche ich euch.“ Sie dreht sich zu Susanne: „Susanne warte, ich helfe dir.“

Am Esszimmertisch sitzt Theo Schuster. Ihm gegenüber Dr. Susanne Kessler. In der rechten Hand hält er einen Brief. Mit der anderen stützt er seinen Kopf.
Lieber Theo
Wenn Du diese Zeilen liest, weiß ich, dass Susanne Dir den Brief überreicht hat. Du wirst der Ansicht sein, dass ich sie in meinen Plan eingeweiht habe. Das habe ich aber nicht. Niemand wusste davon. Ich alleine habe entschieden, dir nicht mehr im Weg zu stehen.
Er schüttelt den Kopf. Aber Marianne, das hast du nicht. Wie konntest du das nur denken?[/i]
Die Zeit mit mir war nicht einfach. Doch hoffentlich wirst du dich an unsere schönen Zeiten erinnern. Weißt du noch? Ich saß im Hörsaal in der zweiten Reihe. Unsere Blicke trafen sich. Da schoss mir zum ersten Mal die Röte ins Gesicht. Das zweite Mal war, als du mich angesprochen hast, ob ich wüsste, dass die Vorlesung schon zu Ende ist und alle den Saal verlassen hatten. Ehrlich gesagt warst du, mit deinen dunklen Haaren und dem Drei-Tage-Bart, nicht mein Typ. Was sich aber, nach dem Besuch bei mir in Flensburg, geändert hat. Gerne erinnere ich mich an unseren Ausflug auf der Förde. Erstrecht an den Tag, als du mich gefragt hast, ob ich deine Frau werden möchte. Das Glücksburger Schloss war der beste Ort, um mir diese Frage zu stellen. Auch wenn wir uns nicht lange kannten, aber an dem Tag hast du mein Herz für immer erobert. Am liebsten hätte ich die Zeit still stehen lassen. Ich war so glücklich. Die Entscheidung, zu dir zu ziehen, war richtig. In der Anfangszeit fühlte ich mich sehr einsam und fremd in der Stadt. Aber ich hatte ja dich. Und das war das Wichtigste.

Die See verhält sich immer ungestümer. Susanne hat Schwierigkeiten, das Boot in Balance zu halten. „Habe ich‘s dir nicht gesagt. Aber du wusstest es ja besser: Sei nicht so bange, hast du gesagt. Das ist nur eine kleine Schlechtwetterfront. Ganz ehrlich, wir müssen in den nächsten Hafen, bevor das Boot kentert.“
„Das wird nichts mehr. Dort vorne geht es raus auf die Ostsee. Der nächste Hafen ist drüben an der dänischen Küste.“
Plötzlich geschieht es. Eine unerwartete Böe aus der Landabdeckung reißt Susanne das Steuerrad aus der Hand. Das Boot gerät ins Schlingern, wodurch das Fall aus der Rolle springt und das Segel ihnen fast um die Ohren schlägt. In diesem Moment wird das Boot unkontrollierbar. Genau auf so einen Augenblick hat Marianne gewartet.
Susanne bricht in Panik aus. „Das Segel muss unter Kontrolle gebracht werden. Ich kann das nicht. Das musst du machen.“
„Kein Problem. Ich kümmere mich darum. Ich klettere einfach in den Mast.“
„Sollten Isabel oder Franziska dir nicht lieber helfen?“
„Die beiden haben keine Ahnung, wie man das macht. Ich mache mir Sorgen, dass eine von ihnen über Bord fällt. Das Fall in die Rolle zu legen ist wirklich kein großer Aufwand.“

Es tut mir so unendlich leid, dass die Zeit anders verlaufen ist, als wir sie uns gewünscht haben. Wie schwer muss es dir gefallen sein, bei uns zu bleiben. Judith mit ihrer Behinderung. Und ich mit meinen Depressionen. Du hättest dich schon am Anfang für eine Studentin entscheiden können.
Was meint sie denn damit? Das war für uns alle eine große Belastung.[/i] Bei dem Gedanken an die Zeit, laufen ihm die Tränen.
Susanne sieht ihn traurig dabei an und greift nach seiner Hand.
Er schaut sie an, senkt den Kopf und liest weiter.
Ich danke dir so sehr, dass du dir die Zeit genommen hast dich um mich und Judith zu kümmern.
Aber was hätte ich machen sollen? Dich mit Judith alleine lassen? Anscheinend war es nicht genug Zeit.[/i]
Was du nicht weißt, ich bin über deine Liaison im Bilde. Du fragst dich, wie ich das herausgefunden habe? Tja, nur durch einen Anruf. Sie hört sich sehr jung an. Pass bloß auf, dass du deine Stellung durch sie nicht verlierst.
Oh, nein. Ich Trottel. Hätte ich ihr bloß von Amiko erzählt. Durch ihre Hilfe im Haushalt wollte ich mir doch nur mehr Zeit verschaffen, damit ich zu dir fahren kann. Ich hatte schon eine Reise gebucht, für dich, Judith und mich, nach Mallorca. Gleich nach dem Segeltörn mit deinen Freundinnen wollte ich mit dir los. Ja, Amiko hat eine junge Stimme, aber das haben Asiatinnen nun mal. Natürlich kann man am Telefon nicht sehen, dass sie über sechzig Jahre alt ist. Du dachtest, ich hätte eine Affäre. Hätte du nur gewartet, dann hätte ich dir von ihr erzählt.[/i] Das Alles ist meine Schuld.[/i]

Um das Segel zurück ins Fall zu legen, begibt Marianne sich zum Mastbaum. Nur noch ein paar Schritte, und ihr Plan geht auf. Als sie die erste Stufe erreicht, hört sie, wie Susanne ihr etwas zuruft.
„Komm wieder runter und zieh den Lifebelt an, bitte. Sonst gehst du noch über Bord.“
Sie tut so, als wenn sie ihre Worte nicht hört und steigt die Stufen hinauf. Bis sie oben angekommen ist.
Susanne sieht zum Mast empor. Sie wundert sich, was für eine Kraft ihre Freundin an den Tag legt, um Stufe für Stufe bei dem Wellengang oben anzukommen. Wie sie gesagt hat. Das Einlegen zurück in die Rolle macht sie mit einem Handgriff. Anschließend ruft sie Susanne etwas zu, doch durch die Höhe und den Wind, kann sie sie nicht verstehen. Fragend schaut sie hinauf. „Was hat sie bloß gesagt?“
Jetzt beugt sich Marianne nach vorne.
Susanne hält ihre Hand hinters Ohr, um sie besser zu verstehen. Doch Marianne wirft ihr mit der linken Hand einen Luftkuss zu. „Prima, Marianne. Du hast es geschafft? Jetzt kannst Du wieder runter kommen“, ruft Susanne ihr zu.
Plötzlich löst Marianne ihre rechte Hand vom Mast und lässt sich rücklings fallen.
„Neinnnnn!“, schreit Susanne. Ihre Stimme wird vom Wind verschluckt.
In Sekundenschnelle schlägt Mariannes Körper auf dem Wasser auf. Erbarmungslos zieht sie die See in die Tiefe.
In Windeseile wendet Susanne das Boot. Anschließend rennt sie zum Rettungsring. Sie greift danach, hebt ihn vom Haken und läuft an die Stelle, an der sie Marianne vermutet. Vorne am Bug sieht sie ihren Kopf aus dem Wasser ragen. Schleunigst läuft sie hin. „Marianne, hier nimm den Rettungsring. Ich ziehe dich raus.“ Sie wirft ihn in die tobenden Wellen, in der Hoffnung, dass er sie erreicht. Doch die Strömung erfasst in dem Moment ihren Körper und zieht sie mit auf die offene See. „Marianne!“, brüllt Susanne. Für einen kurzen Augenblick überlegt sie, hinterher zu springen. Sie hält sich fest und lehnt sich über die Reling. Verzweifelt ruft sie nach ihr. Aber nach kurzer Zeit gibt sie auf und hechtet zurück an die Pinne. Sie greift den Hörer. Sie fragt sich: Welcher Kanal war es nochmal? Irgendwas in den Zehnern. Da fällt ihr ein. „Kanal 16, genau.“ Sie drückt auf den Schalter: „MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY. Hier spricht die Yacht Judith. Rufzeichen DB 2070 MMSI 211001234. MAYDAY Yacht Judith, Rufzeichen DB 2070 MMSI 211001234. Wir befinden uns …“ Sie schaut aufs GPS und gibt ihre Koordinaten durch. Jetzt nur noch den Grund des Notrufs. [/i]„Frau über Bord!“ Sie wiederholt sich mit weinerlicher Stimme. „Frau über Bord!“ Ihre Stimme wird immer leiser und flehender. „Frau über Bord! Over!“ Ihre Kräfte lassen nach. Sie klammert sich ans Steuerrad und fängt bitterlich an zu weinen.


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#2

RE: Anfang von Notar der Toten in kurzer Form

in Romanprojekte & was damit zusammenhängt 22.05.2025 13:37
von Bree • Federlibelle | 5.427 Beiträge | 23441 Punkte

Liebe @Nickeline

das ist doch ein vielversprechender Anfang. Die Dramatik auf See hast du eindringlich und bildhaft geschildert. Es gibt ein paar winzige Kleinigkeiten, die ich verbessern würde, doch mein wichtigster Vorschlag lautet:
Nimm den gesamten Segel-Teil zusammen als Prolog. Der Bruch vom Boot zum Tisch mit Johannes, an dem er mit Susanne sitzt, ist zu groß und reißt mich als Leserin aus der spannenden Szene.
Versuchen wir es mal.

PROLOG

„Marianne, der Himmel im Osten zieht sich zu. Das sieht nicht gut aus!“, ruft Susanne ihrer Freundin zu. Hier würde ich kurz erwähnen, wo Susanne sich befindet, damit man gleich weiß: Aha, die beiden sind auf einem Boot mitten im Meer.
„Das ist nur eine kleine Schlechtwetterfront. Mache dir keine Sorgen. Die zieht ab.“
Sie Susanne (sonst könnte es auch Marianne sein) hebt den Kopf, schaut rauf zum Mast und stellt fest: „Aber der Wind weht aus westlicher Richtung.“
„Nun komm. Das ist doch nur eine dunkle Wolke. Früher warst du nicht so bange.“
„Damals waren wir auch noch jung. Aber, Du Komma weg, du klein wirst es schon wissen, ob da ein Sturm aufzieht, oder nicht. Schließlich warst du die Bessere im Segeln.“
Die Wellen peitschen heftiger gegen das Boot. Der Wind schlägt die Segel hin und her.
Isabel stupst Franziska in die Seite: „Ich gehe runter in die Kajüte. Das ist sicherer. Kommst du mit?“
„Was meint ihr? Bin ich hier oben für euch eine Hilfe?“, richtet sich Franziska an ihre Freundinnen.
1. Der Doppelpunkt hinter 'Seite' ist nicht notwendig, normaler Punkt reicht. 2. Wer sind plötzlich Franziska und Isabel? Eine wichtige Regel lautet: Bleib in der Perspektive. Du schreibst aus der von Susanne. Nun aber wechselst du zu Isabel. Das ist verwirrend für den Leser. Mein Vorschlag:

"He, Marianne!", hört Susanne Isabels Stimme. Die Freundin steht mit Franziska, der Vierten im Bunde, am Heck (oder wo auch immer) und winkt.
"Was ist?"
"Braucht ihr uns hier oben? Wir würden sonst in die Kajüte gehen, da ist es sicherer."
„Nein, wir brauchen euch nicht. Geht ihr man runter. Das schaffen wir auch zu zweit. Ich sage Bescheid, wenn wir da sind, dann könnt ihr wieder raus kommen. In ein paar Stunden sind wir gesund und munter im Hafen von Bagenkob. Das verspreche ich euch.“ Sie dreht sich zu Susanne: „Susanne warte, ich helfe dir.“ 1 x Susanne reicht, es wird auch so deutlich, dass sie gemeint ist.
Die See verhält sich immer ungestümer. Susanne hat Schwierigkeiten, das Boot in Balance zu halten.
„Habe ich‘s dir nicht gesagt?", ruft sie Marianne zu. "Aber du wusstest es ja besser: Sei nicht so bange, hast du gesagt. Das ist nur eine kleine Schlechtwetterfront. Ganz ehrlich, wir müssen in den nächsten Hafen, bevor das Boot kentert.“
„Das wird nichts mehr. Dort vorne geht es raus auf die Ostsee. Der nächste Hafen ist drüben an der dänischen Küste.“
Plötzlich geschieht es. Eine Jäh reißt eine unerwartete Böe aus der Landabdeckung reißt Susanne das Steuerrad aus der Hand. Das Boot gerät ins Schlingern, wodurch das Fall aus der Rolle springt und das Segel ihnen fast um die Ohren schlägt. In diesem Moment wird das Boot unkontrollierbar.
Genau auf so einen Augenblick hat Marianne gewartet.
Dies ist erneut ein Perspektivwechsel. Susanne kann nicht wissen, dass ihre Freundin auf so einen Moment gewartet hat. Streich den Satz, denn das Folgende ist dann für die Leser umso überraschender.
Susanne bricht in Panik aus. „Das Segel muss unter Kontrolle gebracht werden. Ich kann das nicht. Das musst du machen.“
„Kein Problem. Ich kümmere mich darum. Ich klettere einfach in den Mast.“
„Sollten Isabel oder Franziska dir nicht lieber helfen?“
„Die beiden haben keine Ahnung, wie man das macht. Ich mache mir Sorgen, dass eine von ihnen über Bord fällt. Das Fall in die Rolle zu legen ist wirklich kein großer Aufwand.“Um das Segel zurück ins Fall zu legen, begibt Marianne sich zum Mastbaum. Nur noch ein paar Schritte, und ihr Plan geht auf. Als sie die erste Stufe erreicht, hört sie, wie Susanne ihr etwas zuruft.
„Komm wieder runter und zieh den Lifebelt an, bitte. Sonst gehst du noch über Bord.“
Sie tut so, als wenn sie ihre Worte nicht hört und steigt die Stufen hinauf. Bis sie oben angekommen ist.
Auch hier: Perspektivbruch. Vorschlag:
Susanne beobachtet, dass Marianne den Mastbaum ansteuert und die erste Stufe erklimmt. "Komm runter und zieh den Lifebelt an!", ruft sie ihrer Freundin zu. "Sonst gehst du noch über Bord!"
Doch Marianne scheint sie nicht zu hören. Mit einem unguten Gefühl sieht Susanne, wie Marianne immer höher steigt und schließlich oben ankommt.
Susanne sieht zum Mast empor. Sie wundert sich, was für eine Kraft ihre Freundin an den Tag legt, um Stufe für Stufe bei dem Wellengang oben anzukommen. Wie sie gesagt hat. Das Einlegen zurück in die Rolle macht sie mit einem Handgriff. Anschließend ruft sie Susanne etwas zu, doch durch die Höhe und den Wind, kann sie sie nicht verstehen.
Fragend schaut sie hinauf. „Was hast du gesagt?
Jetzt beugt sich Marianne nach vorne. Susanne hält ihre Hand hinters Ohr, um sie besser zu verstehen. Doch Marianne wirft ihr mit der linken Hand einen Luftkuss zu.
„Prima, Marianne, ruft Susanne zu ihr hinauf. "Du hast es geschafft! Jetzt kannst Du wieder runter kommen
Vielleicht etwas drängener? "Jetzt sieht bloß zu, dass du wieder runterkommst! , ruft Susanne ihr zu.
Plötzlich löst Marianne ihre rechte Hand vom Mast und lässt sich rücklings fallen.
Genial! Nun, ohne die Andeutungen, ist dies ein echter Schock-Moment für die Leser!
„Neinnnnn!“, schreit Susanne.
Vorschlag:
Susanne reißt ungläubig die Augen auf und muss zusehen, wie Mariannes Körper in Sekundenschnelle in die Tiefe stürzt. Sie rennt zur Reling, beugt sich hinunter. "Neeiiiiin!"
Ihr Schrei wird vom Wind verschluckt. Die See hat ihre Freundin erbarmungslos verschlungen.

Ihre Stimme wird vom Wind verschluckt.
In Sekundenschnelle schlägt Mariannes Körper auf dem Wasser auf. Erbarmungslos zieht sie die See in die Tiefe.
In Windeseile wendet Susanne das Boot. Anschließend rennt sie zum Rettungsring. Sie greift danach, hebt ihn vom Haken und läuft an die Stelle, an der sie Marianne vermutet. Vorne am Bug sieht sie ihren Kopf aus dem Wasser ragen. Schleunigst läuft sie hin.
Wenn sie sie dort sieht, ist sie vermutlich schon da, zumindest nehme ich als Leserin das an. Den letzten Satz brauchst du deshalb nicht.
„Marianne, hier nimm den Rettungsring. Ich ziehe dich raus.“
Ich glaube, diese wörtliche Rede ist auch überflüssig. Lass Susanne einfach handeln, Marianne wird sie unter diesen Umständen ohnehin nicht hören können.
Sie wirft den Ring in die tobenden Wellen, in der Hoffnung, dass er die Freundin erreicht. Doch die Strömung erfasst in d
iesem Moment ihren Körper und zieht sie mit auf die offene See.
„Marianne!“, brüllt Susanne.
Auch dieser Beisatz ist nicht nötig. Wer außer Susanne sollte das rufen?
Für einen kurzen Augenblick überlegt Susanne, hinterher zu springen. Sie hält sich fest und lehnt sich über die Reling. Verzweifelt ruft sie nach ihr.Aber nach kurzer Zeit gibt sie auf und hechtet zurück an die Pinne.
Diese Sätze nehmen Spannung raus. Vorschlag: Streichen und so weiter:
Dann überlegt sie es sich anders, hechtet stattdessen zurück an die Pinne und ergreift den Hörer.

Sie greift den Hörer. Sie fragt sich: Welcher Kanal war es nochmal? Irgendwas in den Zehnern. Da fällt ihr ein: Kanal 16, genau. Sie drückt auf den Schalter: „MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY.
Die Großschreibung würde ich lassen, es ist auch so dramatisch genug. Hier spricht die Yacht Judith. Rufzeichen DB 2070 MMSI 211001234. MAYDAY Yacht Judith, Rufzeichen DB 2070 MMSI 211001234.
Es erscheint mir etwas unwahrscheinlich, dass Susanne in dieser Situation so ein langes Rufzeichen auswendig runterbetet. Wie realistisch das tatsächlich ist, kann ich als Nicht-Seglerin allerdings nicht sagen. Mein Vorschlag, vorausgesetzt, so ein Notruf ist wie ein Telefonat:
"Mayday, Mayday, Mayday! Hier spricht die Yacht 'Judith'!"
"Rufzeichen?" fragt eine männliche Stimme am anderen Ende.
Scheiße, wie war das nochmal? "DB 2070 M ... Ach, ich weiß nicht! Kommen Sie schnell! Wir befinden uns ..."
Wir befinden uns …“ Sie schaut aufs GPS und gibt
mit tränenerstickter Stimme? ihre Koordinaten durch.
Jetzt nur noch den Grund des Notrufs. „Frau über Bord!“
, ruft sie, und wiederholt es noch zweimal, dringend. Flehend. Sie wiederholt sich mit weinerlicher Stimme. „Frau über Bord!“ Ihre Stimme wird immer leiser und flehender. „Frau über Bord! Over!“
Ihre Kräfte lassen nach. Sie klammert sich ans Steuerrad und fängt bitterlich an zu weinen.


1. KAPITEL

Am Esszimmertisch sitzt Theo Schuster.
Rein gefühlsmäßig würde ich diesen Satz umdrehen: Theo Schuster sitzt am Esszimmertisch.
Es ergibt Sinn, wenn dieser Abschnitt aus Theos Perspektive erzählt wird.

Ihm gegenüber Dr. Susanne Kessler. In der rechten Hand hält er einen Brief. Mit der anderen stützt er seinen Kopf.
Das klingt, als würde Susanne ihn beobachten. Wie erlebt ER diesen Moment? Vielleicht so:
Er stüzt seinen Kopf mit der linken Hand. In der rechten hält er den Brief. Die letzten Zeilen von Marianne. Er schluckt und liest ihn noch einmal.


"Lieber Theo,
wenn Du diese Zeilen liest, weiß ich, dass Susanne Dir den Brief überreicht hat. Du wirst der Ansicht sein, dass ich sie in meinen Plan eingeweiht habe. Das habe ich aber nicht. Wiederholung. Besser: (...) dass ich sie in meinen Plan eingeweiht habe. Das stimmt aber nicht.
Niemand wusste davon. Ich alleine habe entschieden, dir nicht mehr im Weg zu stehen."

Er schüttelt den Kopf. Aber Marianne, das hast du nicht. Wie konntest du das nur denken? Die Gedanken am besten kursiv darstellen, den Briefteil mit Anführungszeichen kenntlich machen.
"Die Zeit mit mir war nicht einfach. Doch hoffentlich wirst du dich an unsere schönen Zeiten erinnern. Weißt du noch? Ich saß im Hörsaal in der zweiten Reihe. Unsere Blicke trafen sich. Da schoss mir zum ersten Mal die Röte ins Gesicht. Das zweite Mal war, als du mich angesprochen hast, ob ich wüsste, dass die Vorlesung schon zu Ende ist und alle den Saal verlassen hatten. Ehrlich gesagt warst du, mit deinen dunklen Haaren und dem Drei-Tage-Bart, nicht mein Typ. Was sich aber, nach dem Besuch bei mir in Flensburg, geändert hat. Gerne erinnere ich mich an unseren Ausflug auf der Förde. Erstrecht an den Tag, als du mich gefragt hast, ob ich deine Frau werden möchte. Das Glücksburger Schloss war der beste Ort, um mir diese Frage zu stellen. Auch wenn wir uns nicht lange kannten, aber an dem Tag hast du mein Herz für immer erobert. Am liebsten hätte ich die Zeit still stehen lassen. Ich war so glücklich. Die Entscheidung, zu dir zu ziehen, war richtig. In der Anfangszeit fühlte ich mich sehr einsam und fremd in der Stadt. Aber ich hatte ja dich. Und das war das Wichtigste.
Ich bin nicht sicher, ob dieser ausführliche Rückblick an dieser Stelle sinnvoll ist. Vielleicht ergibt sich an anderer Stelle eine bessere Gelegenheit dafür. Der Brief sollte sich meines Erachtens auf das Wesentliche konzentrieren. Aber das ist Ansichtssache.
Es tut mir so unendlich leid, dass die Zeit anders verlaufen ist, als wir sie uns gewünscht haben. Wie schwer muss es dir gefallen sein, bei uns zu bleiben. Judith mit ihrer Behinderung. Und ich mit meinen Depressionen. Du hättest dich schon am Anfang für eine Studentin entscheiden können." War sie nicht auch eine Studentin? Der Rückblick legt diese Vermutung nahe.

Was meint sie denn damit? Das war für uns alle eine große Belastung. Das war für sie alle eine große Belastung gewesen. Bei dem Gedanken an die Zeit, Komma weg laufen ihm die Tränen. Susanne sieht ihn traurig dabei an und greift nach seiner Hand.
Besser, wg. Perspektive: Er lässt die Hand, die seinen Kopf stützte, sinken. Im nächsten Moment legt sich eine andere darauf. Er hebt den Kopf. Susanne schaut ihn mit traurigen Augen an. Er erwidert ihren Blick für ein paar Sekunden und liest dann weiter.
Er schaut sie an, senkt den Kopf und liest weiter.

"Ich danke dir so sehr, dass du dir die Zeit genommen hast dich um mich und Judith zu kümmern."
Aber was hätte ich machen sollen? Dich mit Judith alleine lassen? Die beiden Sätze wieder kursiv. Der dritte, folgende Satz kann weg, die Aussage verwirrt in diesem Kontext: Anscheinend war es nicht genug Zeit.
"Was du nicht weißt, ich bin über deine Liaison im Bilde. Du fragst dich, wie ich das herausgefunden habe? Tja, nur durch einen Anruf. Sie hört sich sehr jung an. Pass bloß auf, dass du deine Stellung durch sie nicht verlierst."

Oh, nein. Ich Trottel. Hätte ich ihr bloß von Amiko erzählt. Durch ihre Hilfe im Haushalt wollte ich mir doch nur mehr Zeit verschaffen, damit ich zu dir fahren kann. Ich hatte schon eine Reise gebucht, für dich, Judith und mich, nach Mallorca. Gleich nach dem Segeltörn mit deinen Freundinnen wollte ich mit dir los. Ja, Amiko hat eine junge Stimme, aber das haben Asiatinnen nun mal. Natürlich kann man am Telefon nicht sehen, dass sie über sechzig Jahre alt ist. Du dachtest, ich hätte eine Affäre. Hätte du nur gewartet, dann hätte ich dir von ihr erzählt. Das Alles ist meine Schuld.

Dieser Abschnitt ist wieder etwas verwirrend. Er wollte zu ihr fahren? Wo war sie denn? Ist damit der Segeltörn gemeint? Und wozu sollte die Reise nach Mallorca dienen? Diese Infos sind eventuell an einer anderen, späteren Stelle sinnvoller. Es ist immer gut, Fragen aufzuwerfen und sie so spät wie möglich zu beantworten, denn offene Fragen drängen den Leser zum Weiterlesen. Wenn die Antwort gleich folgt, ist die Neugier befriedigt und schlimmstenfalls wird dann das Buch zugeklappt. Um das zu verhindern, sollte immer möglichst eine offene Frage übrig sein.
Wir erfahren hier, dass Marianne an Depressionen litt und sie ihrem Mann keine Last sein wollte. Damit ist der Grund für ihren Suizid gegeben, die Frage danach also beantwortet. Nun steht die mögliche Affäre im Raum. Dass es keine gab, musst du nicht gleich hier offenbaren. Warte damit noch eine Weile.

Zusammenfassend: Das Talent zum Erzählen hast du. Mit der Segelszene hast du bereits bewiesen, dass du spannend zu schreiben verstehst. Die Dialoge sind lebendig und authentisch, das Setting tut ein Übriges, um eine bildhafte Szene zu erzeugen. Der einzige größere Schwachpunkt ist das häufige Wechseln der Erzählperspektive, aber Lösungen dafür habe ich dir bereits vorgegeben. Lies dein weiteres Manuskript daraufhin noch einmal durch und überarbeite die entsprechenden Szenen so, dass du pro Abschnitt bei einer Sichtweise bleibst.

Meine obigen Bemerkungen sind in erster Linie Vorschläge. Nimm dir davon, was dir sinnvoll erscheint.
Ich hoffe, ich konnte dir helfen.

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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Alles über meine Bücher & mich findet ihr auf meiner Website: www.brittabendixen.de
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