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Anfang von Notar der Toten

in Romanprojekte & was damit zusammenhängt 22.05.2025 11:01
von Nickeline • Wiesenwicht | 11 Beiträge | 27 Punkte

Das Klingeln der Schulglocke zeigt, dass der Unterricht zu Ende ist. Die Schüler, der Klasse von Frau Petersen, schieben laut ihre Stühle zurück. Plappernd laufen sie an ihrem Pult vorbei. In Sekunden ist der Raum leer.
Nachdem der letzte Schüler durch die Tür verschwunden ist, verlässt sie ebenfalls die Klasse.
Auf dem Flur läuft eine Schülerin auf sie zu. „Frau Petersen. Frau Petersen.“
„Svea, was hast du denn?“
„Ich konnte meine Hausaufgaben nicht machen.“
„Warum nicht?“, fragt sie enttäuscht.
„Meine Schwester ist plötzlich erkrankt. Und meine Mutter musste mit ihr zum Arzt.“ Sie atmet tief ein. „Deshalb hatte sie keine Zeit zu kochen. Ich musste das Essen zubereiten.“
„Svea, das ist in Ordnung.“
Die Schülerin schaut sie mit erstaunten Augen an.
„Weißt du, ich finde das klasse, dass du ihr geholfen hast.“
„Ja?“
„Ja. Du hast dadurch etwas gelernt.“
Sie blickt sie fragend an. „Und was meinen sie, habe ich gelernt?“
Mit gefühlsbetonter Stimme, sagt sie zu ihr: „Hilfsbereitschaft. Ich bin stolz auf dich, dass du ihr geholfen hast. Und ich glaube nicht, nur ich bin stolz auf dich, sondern auch deine Mutter.“
„Aber meine Hausaufgaben!“
„Die kannst du mir morgen geben.“
„Danke, Frau Petersen!“ Lächelnd läuft sie zu ihren
Freundinnen. Dabei dreht sie sich zu ihr um und winkt ihr, voller Freude zu.
Sie winkt zurück, dreht sich um und führt ihren Weg zum Lehrerzimmer fort. Ihr bleiben fünfzehn Minuten, dann muss sie wieder in die Klasse.
Sie öffnet die Tür zum Lehrerzimmer.
Als sie ins Schloss fällt, wird der Lärm der schreienden Kinder abgedämpft. „Puh ha“, stöhnt sie, „endlich Ruhe.“
An einem der Tische sitzt eine Kollegin. Die genüsslich in ihr Frühstücksbrot beißt. „Was ist denn los?“, schmatzt sie.
„Ach nichts Wichtiges. Ich muss gleich wieder los. Ich freue mich über einen kurzen Moment der Ruhe. Wann geht deine nächste Stunde los?“
„Ich habe noch Zeit. Mein Stundenplan ist dieses Jahr ... ach ... reden wir nicht drüber.“
Das passt Marianne gut. Eine Diskussion über die Verteilung der Stunden zu führen, dafür hat sie keine Zeit. Auf dem Tisch liegt eine Zeitschrift. Sie greift danach und fängt an, darin zu blättern. Auf Seite vier weckt ein Bericht ihre Aufmerksamkeit. Der Artikel dreht sich um Prof. Dr. Theo Schuster. Der zufällig im nächsten Monat an der Universität Heidelberg eine Vorlesung zum Thema Elektrizität im Alltag hält. „Das ist ja passend. Genau das, was ich suche“, sagt sie zu ihrer Kollegin.
Sie nickt ihr mampfend zu.
Am Rande des Berichts ist ein Foto. Sie betrachtet es aufmerksam. Die Aufnahme zeigt einen Mann. Sie schätzt ihn auf Mitte vierzig. Er hat braun gelocktes Haar und einen Dreitagebart. Eigentlich findet sie Typen mit solchen Bärten nicht so ansprechend. Aber in diesem Fall weckt er ihre Aufmerksamkeit. Sie steckt die Zeitschrift in die Tasche und wendet sich an ihre Kollegin: „Kerstin, ich wünsche Dir noch einen schönen Tag. Nächstes Jahr bekommst Du bestimmt bessere Zeiten.“
„Mhhh, wer es glaubt, wird selig“, gibt sie schmatzend zurück.
Grinsend begibt sie sich wieder auf den Weg in die Klasse.

Am Abend macht sie es sich auf dem Sofa gemütlich. Sie holt die Zeitschrift aus der Tasche und liest den Bericht mit mehr Ruhe durch. Ihr kommt eine Idee. Ich werde Irmgard fragen, ob ich da hinfahren kann. Ich hoffe, sie hat nichts dagegen. Aber warum sollte sie? Schließlich bilde ich mich im Sinne der Schule weiter.

Am nächsten Tag sucht sie Irmgard auf. Sie erzählt ihr von dem Bericht über Prof. Dr. Schuster. Und bittet sie, ob sie an der Vorlesung teilnehmen darf. Zu ihrem Glück hat sie gute Laune.
„Das finde ich eine gute Idee. Klärst du ab, dass dich jemand vertritt.“
„Ja, mach ich. Danke.“ Sie verlässt das Büro und begibt sich in ihre Klasse.

Direkt nach der sechsten Stunde fährt sie zum Bahnhof. Auf dem Weg überlegt sie, wie lange man wohl nach Heidelberg mit dem Zug braucht.
An der Kasse sitzt eine Frau mittleren Alters. Ihre Haare sind kurz und lockig. Ihr Oberkörper nimmt die Breite des Schalters ein. Was heißt, dass sie viel Fläche hat. So nennt sie Menschen, die Probleme mit ihrer Figur haben. Im Unterricht hält sie ihre Schüler und Schülerinnen an, nicht über Personen, die zu dick sind, herablassend zu reden. Die Worte, fett oder zu dick, möchte sie von ihnen nicht hören. Wenn jemand das Wort benutzt, sagt die Klasse im Gleichklang: „Sie ist nicht fett, sondern hat nur viel Fläche.“
Und sie sagt: „Und was ist, wenn man zu viel Fläche hat?“
„Dann wird man auch mehr nass.“
Diese Redensart hat sie in einem Freizeitpark aufgeschnappt. Als eine Oma ihrem Enkel erklärt, dass er niemals Menschen als fett bezeichnen soll. Wenn jemand aus der Wildwasserbahn kommt und sehr nass ist. Soll er lieber sagen: „Wer viel Fläche hat, wird auch mehr nass.“ Das fand sie eine so gute Erklärung, so dass sie diese Weisheit mit in ihr Leben genommen hat. Und jetzt an ihre Schüler weiter gibt.
Sie fragt die Frau am Schalter: „Moin. Ich möchte ein Ticket von Flensburg nach Heidelberg.“
„Da wollen wir mal schauen. Wann wollen sie denn fahren?“
Sie nennt den Tag und sieht zu, wie die Dame die Daten eintippt.
Mit ein bisschen Mühe findet sie eine Verbindung raus. „Ich hab hier was. Start in Flensburg, 16:15 Uhr. Ankunft in Heidelberg, 22:54 Uhr“
„Oh, das ist aber spät. Gibt es keine frühere Verbindung?“
„Nein, meine Liebe, das ist die Schnellste.“
Sie überlegt. Ankunft um fast elf Uhr und anschließend noch vom Bahnhof mit dem Bus oder Taxi zur Unterkunft. Das wird ganz schön spät. Gut, mir bleibt keine andere Wahl. „Buchen sie.“ Ruck zuck hält sie die Tickets in der Hand. „Vielen Dank“, sagt sie und dreht sich um zum Gehen.
„Ich wünsche ihnen eine gute Reise.“
„Die werde ich haben.“ Mit den Tickets in der Hand verlässt sie das Gebäude.
Sie schwingt sich aufs Rad und fährt zwei Straßen weiter. Dort will sie bei einem Freund der ein Reisebüro betreibt eine Unterkunft buchen. „Hallo Florian.“
„Hallo Marianne. Was kann ich für dich tun?“
„Ich brauche ein Apartment für zwei Nächte in Heidelberg? Wenn es geht mit Frühstück.“
„Für wann?“
Sie setzt sich auf einen Stuhl und gibt ihm die Daten.
Er schaut in den PC und braucht nicht lange, da hat er eine Unterkunft gefunden.
„Das sieht gut aus. Der Preis stimmt auch. Nehme ich.“
Nach einem kurzen Plausch verabschiedet sie sich von ihm. Und fährt zufrieden nach Hause.


Bree findet das Top
zuletzt bearbeitet 22.05.2025 11:04 | nach oben springen

#2

RE: Anfang von Notar der Toten

in Romanprojekte & was damit zusammenhängt 22.05.2025 14:28
von Bree • Federlibelle | 5.427 Beiträge | 23441 Punkte

Liebe @Nickeline

wie ich schon vermutet hatte, kommt das Kennenlernen zwischen Theo und Marianne noch mal dran. Das bestätigt meinen Eindruck, dass du diesen Teil im Brief weglassen kannst.
Mir fällt auf, dass hier die Kommas recht willkürlich gesetzt sind. Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht detailliert darauf eingehen, aber schau selbst nochmal drüber, welche Kommas wegkönnen oder woanders besser aufgehoben sind.
Dass Frau Petersen Marianne ist, kommt erst recht spät, ich würde ihren Vornamen gleich am Anfang einmal erwähnen.
Auch ist dieser doch recht unspektakuläre Teil ein bisschen zu ausführlich geraten, er kann gut gekürzt werden. Wenn z. B. Florian keine weitere Rolle spielt, genügt es, wenn du erwähnst, dass sie im Reisebüro eine Unterkunft bucht. Punkt.
Bei dem Teil mit der 'größeren Fläche' bin ich noch nicht sicher, wie ich das finde. Einerseits ist es ganz charmant, andererseits aber für die Geschichte vermutlich nicht notwendig und könnte auch negativ aufgefasst werden. Überleg genau, ob der Teil drinbleiben muss.

Das sind jetzt meine ersten Überlegungen zu diesem Text. Wo im Buch hat diese Rückblende ihren Platz? Der Anfang mit dem Segeltörn hat mir jedenfalls besser gefallen, hier geschieht im Grunde nicht viel. Ist die Kennenlerngeschichte von Theo und Marianne wichtig für die eigentliche Story?

Auch ich schreibe manchmal solche Szenen, um meine Protas besser kennenzulernen und einen Background zu haben. Im Buch tauchen sie dann oft aber gar nicht auf, weil sie nur für mich wichtig waren.

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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